Andreas Vollenweider - Ulrichskirche Halle/Saale 19.09.2009

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JJG
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Andreas Vollenweider - Ulrichskirche Halle/Saale 19.09.2009

Beitrag von JJG »

Andreas Vollenweider – Konzert 19.09.2009 in Halle/Saale (Ulrichskirche)


Ein Weltmusiker schläft auf der Bühne ein, hat wenige Songs, kann sich selbige nicht merken, lebt in der Zwischenwelt, verwendet Schüsseln und eine Spieluhr statt „echten“ Instrumenten und bietet meiner Tochter den Posten als Gitarristin an. Alles nicht wahr?

Nach etlichen Jahren komme ich wieder mal nach Halle/Saale. Letztmalig war ich wohl zu einem Marillion-Konzert da und von 25 Jahren habe ich da mal… , aber lassen wir diese Sentimentalitäten.
Auf ein Konzert mit A.Vollenweider kann man sich besonders freuen, weil gewisse Erwartungen immer erfüllt werden (Improvisationen, angenehme Lautstärke) oder unerwartete Dinge geschehen.

Für seine Konzerte wählt Andreas immer besondere Orte aus. Die Ulrichskirche in Halle/Saale ist ein zum Konzertsaal umgebautes ehemaliges Gotteshaus. Schon an der Tür wird man mit großen Lettern hingewiesen, dass Aufnahmen jeder Art (Fotos, Kamera, Tonmitschnitte) angemeldet werden müssen. Ehrfurchtsvoll habe ich meine Kamera gleich versteckt und war darüber natürlich ein wenig traurig. Ein paar Fotos hatte ich mir schon erhofft.
Für meine Tochter war es das erste Konzert von dieser Größe, mein Sohn und meine Frau sind meine Konzertwut schon gewohnt.

Vollenweider betrat fast pünktlich die Bühne und spielte zwei Solo-Stücke auf der Harfe. Mit den einzelnen Konzerttiteln seines riesigen Repertoires bin ich nicht bis ins Detail vertraut, es müsste sich hierbei aber um zwei „improvisierte“ Stücke mit Zitaten aus einigen bekannten Songs handeln.

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Dann betraten die zwei Band-, bzw. Tour-Mitglieder die Bühne. Daniel Kueffer ist ein Multiinstrumentalist, der nach Andreas‘ Aussage jedes existierende und noch nicht existierende Instrument spielt. Sein Hauptaugenmerk jedoch auf die Blasinstrumente legt. Das Tour-Trio wird durch Stefanie Peter komplettiert. Hier zeigt Vollenweider, dass er für alles offen ist. Stefanie ist eine Rapperin, die das natürliche Instrument Beat-Box verwendet. Zusätzlich spielt sie noch Percussions-Instrumente. Natürlich ist sie auch rein optisch eine Bereicherung für ein Konzert.

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Die Songauswahl hat natürlich den Schwerpunkt auf das neue Album „Air“ gelegt. Der Harfenist möchte die Zuhörer zum „Durchatmen“ und genießen anregen. Er möchte sie auf eine Reise mitnehmen, erzählt über seine Gefühle und seine Ausflüge in die Zwischenwelten. Dazu kann man vom aktuellen Output Songs wie „Airdance“, „One Breath“ uns „Siesta“ oder auch „Windseeds“ hören. Aus dem Archiv der älteren Alben wie „Book of Roses“ konnten wir das grandiose „The Grand Ball of the Duljas” hören, aus „Vox“ gab es dann z.B. „Pligrim“ und „Paper Walls“, welche er beide sang. Meine Frau meinte, er hätte eine sehr angenehme Singstimme.

Das Instrumentarium des Konzertes wurde für Vollenweider-Konzerte recht sparsam eingesetzt. Natürlich gab es auch wieder die Kugeln in den Schüsseln, die eine zusätzliche Klangfarbe bedeuteten und die im Publikum sitzenden Hausfrauen zum Schmunzeln brachte.

An Ende des regulären Konzertteiles gab es noch einen Crash-Kurs von Stefanie in Sachen „Beat-Box“. Sie bezog dazu das komplette Publikum ein. Das will was heißen, denn vom Altersdurchschnitt war es das bisher älteste Publikum eines Konzertes, welchem ich bisher beiwohnen durfte. Meine bisherige Ansicht über diese Art von Gesang muss ich wohl insgesamt überdenken.

Die erste Zugabe beendete Andreas mit den Worten: „Ich habe keine Songs mehr und kann mir meine alten Stücke nicht mehr merken, ich bin jetzt im letzten Drittel meiner zweiten Lebenshälfte.“

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Ich will das jetzt gar nicht kommentieren, zumal der Mann gerade mal 11 Jahre älter ist als ich. In der zweiten, von den Zuschauern geforderten Zugabe schlief der Harfenist während des Songs an seinem Instrument ein, das Licht wurde verdunkelt und seine beiden Mit-Musiker verließen die Bühne. Daniel gab ihm noch sein Kuscheltier und hängte eine Spieluhr an seine Harfe und zog sie auf. Das alte Wiegenlied „Guten Abend gute Nacht“ konnte man hören.

So ging ein tolles Konzert zu Ende. Besonders meine Tochter war restlos begeistert, sie kannte ja fast alle Songs und das Wiegenlied, also hatten wir eine gute Wahl für Ihr erstes Event dieser Art gewählt.

Nach dem Konzert haben wir noch Ingo und seine Frau kurz gesprochen. Im Konzert konnten wir uns leider nicht sehen, wir saßen auf der Empore. Ein paar Fotos habe ich natürlich ganz heimlich für die Forums-Mitglieder gemacht.


Im Vorsaal wurde ein Tisch aufgebaut und man konnte fast alle CDs und DVDs vom Schweizer Multiinstrumentalisten kaufen und es gab noch eine Autogrammstunde. Als wir an der Reihe waren fragte Andreas Vollenweider meine Tochter, ob sie auch ein Instrument spielt. Als sie dann antwortete, dass sie Gitarre spielt bot er ihr den Job auch gleich an: „Eine Gitarristin brauchen wir noch in unserer Band“.
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Saaldorf

Royale
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Re: Andreas Vollenweider - Ulrichskirche Halle/Saale 19.09.2009

Beitrag von Royale »

Vielen Dank für den tollen Konzertbericht! Durch deine einfühlsame Schilderung hat man die Atmosphäre gut nachvollziehen können!
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Topographic
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Re: Andreas Vollenweider - Ulrichskirche Halle/Saale 19.09.2009

Beitrag von Topographic »

Danke für deine wie immer sehr unterhaltsame Art, deine Eindrücke vom Konzert zu schildern. Da bin ich mal auf das Konzert in Karlsruhe gepannt - besonders auch auf die Beat-Box Einlagen. Als langjähriger Vollenweider-Ignorant muss ich mich vorher aber wohl ein bisschen einhören ...
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SOON
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Re: Andreas Vollenweider - Ulrichskirche Halle/Saale 19.09.2009

Beitrag von SOON »

um ein so schönes Konzert in einer solchen Umgebung kann man euch nur beneiden.
Toller Bericht!
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Re: Andreas Vollenweider - Ulrichskirche Halle/Saale 19.09.2009

Beitrag von BBQ.Master »

Dein sehr guter Bericht entspricht in etwa dem, was ich auch in Düren sehen durfte. :)
JJG hat geschrieben:Natürlich ist sie auch rein optisch eine Bereicherung für ein Konzert.
;)
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JJG
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Re: Andreas Vollenweider - Ulrichskirche Halle/Saale 19.09.2009

Beitrag von JJG »

Vielen Dank an Euch. Es war kein Rap-Konzert. Stefanie hat ca. 80% des Rhythmus mit der "Human-Beat-Box" erzeugt. Anfangs dachte ich teilweise wirklich an eine Einspielung über Computer. Der Rhythmus wurde ganz dezent in Vollenweiders Werke einbezogen, hat also nicht alles übertönt und zerstört wie man es manchmal auf der Straße oder in Autos hört.

Leider hab ich den Bericht wieder zu schnell geschrieben und noch einige Eindrücke vergessen.
(Bitte schaut nicht zu sehr auf die Fehler, die ich in den Text eingebaut habe) :lol:
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Saaldorf

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Re: Andreas Vollenweider - Ulrichskirche Halle/Saale 19.09.2009

Beitrag von BBQ.Master »

Ich hatte zuerst auch gedacht, dass Vollenweider einen Drumcomputer einsetzt - so präzise und druckvoll klingt diese Frau!

Was die mit ihrem Mund alles anstellen kann... [smilie=devil-smiley-029.gif]
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ingo
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Re: Andreas Vollenweider - Ulrichskirche Halle/Saale 19.09.2009

Beitrag von ingo »

JJG hat geschrieben: Das will was heißen, denn vom Altersdurchschnitt war es das bisher älteste Publikum eines Konzertes, welchem ich bisher beiwohnen durfte.
Ich kann mich auch noch so dunkel an die Zeiten erinnern, als ich den Altersdurchschnitt des Konzertpublikums noch drücken konnte.
Jan hat die Stimmung des Konzerts sehr gut beschrieben. Uns hat aber im Vergleich zu den letzten Konzerten(2004/2005) etwas Schlagzeug gefehlt. Damals sorgten ja gleich Musiker für den Rhythmus.
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Topographic
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Re: Andreas Vollenweider - Ulrichskirche Halle/Saale 19.09.2009

Beitrag von Topographic »

Andreas Vollenweider war ein sehr guter Tipp. Ich hatte mehr Esoterik-Langeweile erwartet und wurde angenehm vom Gegenteil überzeugt. Besonders die jazzigeren Stücke waren erste Sahne – nur ab und an war es mir ein wenig zu ruhig, die „Human Beatbox“ hätte gerne noch durch ein Mehr an Percussion unterstützt werden können. Wenn das Publikum im Karlsruher Tollhaus mitmachen darf, ist die Atmosphäre immer etwas ganz Besonderes. Nach der Publikums-Beatbox gab es kein Halten mehr, und mehrere Dutzend „Wecker“ ließen Vollenweiders Schlafeinlage zum großen Spaß werden. Die Zugabe sowieso, die hätte das Publikum auch alleine auf die Beine gebracht. Schöne Erfahrung.
Gefallen hat mir auch der Mensch Andreas Vollenweider, seine freundliche, aber nie anbiedernde Art und sein vorgestelltes Konzept der zwar beinflussenden aber durchaus zurückhaltend gewichteten Bedeutung von Musik im Leben.
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