Like a Jazz Machine Festival 2018

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Wilson
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Like a Jazz Machine Festival 2018

Beitrag von Wilson »

Like a Jazz Machine 10.5.18 / 12.05.18
Dudelange (Düdelingen), Luxemburg, Centre Op der Schmelz

Meist höre ich mich vor Konzerten ein paar Tage, manchmal sogar Wochen lang in die Musik ein. Mein Besuch beim diesjährigen, insgesamt siebten, Like a Jazzmachine Festival in Dudelange in Luxemburg, war allerdings eine spontane Entscheidung. In den letzten Wochen davor hatte ich kaum mal eine Jazzplatte aufgelegt. Vielleicht lag es auch daran, dass mich Erdmann / Perfido / Sieverts alias Peter Perfido‘s EPS TRIO haben es mit ihrem knapp einstündigen Auftritt zu Beginn des Festivals nicht geschafft, mich so richtig zu überzeugen. Es lag nicht an der Instrumentierung mit Saxophon, Bass und Drums, also ohne Harmonieinstrument. Im Gegenteil, die CD „Sky & Country“ der Formation FLY (Turner / Grenadier / Ballard) gehört beispielsweise seit Jahren zu meinen meistgehörten und -geliebten Jazzalben. Und es lag auch nicht an daran, dass sie einen sehr freien Jazz gespielt haben. Wie Perfido erzählte, hatte das EPS Trio im April mehrere Tage als Artists in Residence in Dudelange Gelegenheit zu Aufnahmen und Jamsessions, aber es war der erste gemeinsame Liveauftritt. Ihre Musik hat zwar meinen Kopf erreicht, aber nicht body & soul. Ganz anders war das anschließend bei der JEFF HERR CORPORATION - gleiche Besetzung, also Saxophon, Kontrabass und Schlagzeug, aber andere Klänge - mehr Funk, mehr Melodie und meiner persönlichen, (jazz-)laienhaften Ansicht nach auch das bessere Zusammenspiel untereinander. Ich hatte die drei Musiker gemeinsam mit dem Gitarristen Adam Rogers im vergangenen Jahr schon einmal im Kammermusiksaal der Philharmonie in Luxemburg gesehen und schon damals haben sie mir ausgezeichnet gefallen. Das dritte Konzert des Abends war aber klar der Höhepunkt und vielleicht sogar der beste Auftritt, den ich bei meinem dritten Besuch des Jazzmachine Festivals gesehen habe. Das REGGIE WASHINGTON 4TET - wieder waren Saxophon, Bass und Schlagzeug vertreten, hier aber verstärkt durch den exzellenten Bobby Sparks an Flügel und Keyboards. Bassist und Bandleader Washington orientiert sich bei seiner Musik am Jazzrock, an Formationen wie Weather Report, Return to forever und der Musik von Miles Davis in den späten 60ern. Die knapp 75 Minuten waren schnell vorbei, zu schnell. Die Band kündigte an, in den nächsten Tagen gemeinsam ins Studio zu gehen und ich freue mich jetzt schon auf das Album, auch wenn dieses dann vielleicht erst im nächsten Jahr erscheinen wird. Washington selbst am E Bass und Kontrabass, der exzellente Drummer E.J. Strickland und der ebenfalls sehr gute Saxophonist Fabrice Alleman zeigten ein wirklich beeindruckendes Zusammenspiel. Sie haben nur vier oder fünf Titel lange Titel gespielt, u.a. eine mitreissende Version von „E.S.P.“ von Wayne Shorter. Washington war übrigens auch Bassist auf dem Album „Genesis & The Opening of the Way“ von Steve Coleman.

Der Name Joachim Kühn ist mir ein Begriff, seit ich Anfang der achtziger Jahre erstmals das Saarbrücker Zweitausendeins betreten habe oder das Merkheft studiert. Der Laden ist leider schon lange geschlossen, aber Kühn, Jahrgang 1944, steht immer noch auf der Bühne oder sitzt vielmehr am Flügel. Fast 40 Jahre hat es gedauert, bis ich ihn erstmals live erleben durfte. Im Gegensatz zur bandorientierten Rockmusik lebt Jazz eher von ständig wechselnden Kooperationen. Spielen Rockmusiker verschiedener Gruppen zusammen, schreibt die Presse verlässlich von einer neuen Supergroup, obwohl die Musik am Ende selten super ist. Im Jazz ist das eher der Normalfall. Der Luxemburger Saxophonist Maxime Bender, den ich zwei Tage zuvor bereits als Mitglied der Jeff Herr Corporation gehört hatte, lernte letztes Jahr im Rahmen des Jazzmachine Festivals Joachim Kühn kennen und die beiden Musiker beschlossen ein gemeinsames Projekt, das jetzt auf der Bühne umgesetzt wurde - das MAXIME BENDER AWAKE 4TET featuring JOACHIM KÜHN. Mit dabei sind noch der Kontrabassist Oliver Lutz und der extrovertierte Pit Dahm am Schlagzeug. Kühn hat sich dem freien Jazz verschrieben, er hat früher auch mit Ornette Coleman gespielt, dessen Album „Free Jazz“ dieser Richtung 1960 den Namen gab. Das Maxime Bender Quartett bewies in mitreissenden 55 Minuten, dass diese Musik alles andere als unmelodisch ist. Gespielt wurden einige Eigenkompositionen und zum Abschluß ein Stück von Ornette Coleman.

Das folgende und für mich letzte Konzert des Abends ging dann stilistisch schon wieder in eine ganz andere Richtung und zeigte wieder einmal, wie vielseitig der Jazz doch ist. Der amerikanische Saxophonist Stan Getz hatte 1961 das Album "Focus" aufgenommen, das mit seiner Kombination von Saxophon und Streichorchester bis heute als stilistisch einflussreich gilt. Der Franzose Sylvain Rifflet versucht mit "Re-Focus" die Atmosphäre und Stimmung der damaligen Aufnahme einzufangen. Es handelt sich nicht um eine Neuinterpretation der damligen Aufnahmen, sondern um eigene Kompositionen Rifflets. Zusammen mit dem Saxophonisten standen Florent Nisse am Kontrabass, der Vibraphonist und Schlagzeuger Gillaume Lantonne und ein Streichquartett auf der Bühne. Es waren neue, ungewohnte, unerwartete und wirklich interessante Klangwelten, die die sieben Musiker da auf der Bühne erzeugten. Es ist schwierig nach zwei wirklich begeisternden Tagen einen Auftritt besonders herauszuheben (zumal mich Reggie Washington am Vortag schon sehr begeistert hatte), aber das Konzert von Rifflet war sicherlich das interessanteste und eines, das wie schon gesagt ganz neue Hörgewohnheiten eröffnete. Begonnen hatte der Samstag um 18:30 Uhr mit dem Auftritt der belgischen Pianistin Nathalie Loriers zusammen mit der Saxophonistin Tineke Postma und dem Kontrabassisten Nicolas Thys. Das letzte Stück des Abends hieß "Dinner with Ornette and Thelonius" und dieser Titel ist ein Hinweis darauf, wo Lorier ihre Vorbilder sieht, nämlich im amerikanischen Jazz der späten 50er und früher 60er Jahre. Auch ihr Auftritt war überzeugend und ich habe mir im Anschluss ihr letztes Album "We will really meet again" gekauft und es von Loriers und Postma signieren lassen. Auch von Sylvain Rifflet habe ich mir am Ende noch das Album "Refocus" zugelegt und auch dessen Inspirationsquelle "Focus" von Stan Getz.

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Re: Like a Jazz Machine Festival 2018

Beitrag von JJG »

Danke für den schönen Bericht, wie immer auf hohem Niveau.
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Saaldorf
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