Puh...
Bitte nicht böse sein,

aber wer immer noch auf Trevor Rabin sauer ist, Probleme mit dem "Drama“-Buggles-Lineup hat oder gar über die "Tales"-Kontroverse nachdenkt, hat doch vor vierzig Jahren vergessen, was das Wort "heute" bedeutet, meint Ihr nicht? Ich habe mit all diesen Dingen überhaupt keine Probleme. Ich habe Probleme mit den aktuellen Alben der Band, nicht mit den alten!

Ich habe überhaupt lieber aktuelle Probleme, Probleme die ich lösen kann. Oder jemand anderes lösen kann. Die Diskussionen über Vergangenes sind doch nur aus historischer Sicht noch interessant.
Aber weil diese Sicht durchaus legitim ist - warum nicht? Meine Kontroversen mit Yes sind allerdings ganz andere.
Rabin? Rabin war nie das Problem. Das eigentliche Problem war die Abkehr vom gemeinsamen Komponieren. Und diese Entwicklung reicht viel weiter zurück als in die Rabin-Ära. Mal die Paris-Sessions gehört?

Das geht sogar zurück bis zu Stücken wie "Parallels". In den 80ern haben die das nur zu ihrer neuen Arbeitsweise gemacht,
das ist der Punkt, auf den es eigentlich ankommt.
Anderson raus, Anderson rein? Ehrlich gesagt, wenn Yes ohne Anderson Alben zustandebringen wie "Drama" und mit ihm Alben wie "The Ladder" und "Open your Ass", hab ich kein Problem damit, wenn er fehlt. "Show me"!

Problematisch daran sind doch eher jene Fans, die am Rockzipfel bestimmter Musiker oder für sakrosankt erklärter Lineups hängen. Sie schneiden sich damit nur ins eigene Fleisch: Wenn es
nur dann Yes ist, wenn Anderson singt, dann macht man damit das gesamte Fandom von Andersons Launen abhängig. Das tut uns nicht gut (und Andersons Charakter vermutlich auch nicht). Und es verhindert das, was wir doch eigentlich alle wollen sollten, und zwar mehr als alles andere: nämlich, dass wir so viele Yes-Alben bekommen, wie nur irgend möglich. Merke: Es ist egal, wer in der Band ist, solange die Musik gut ist. Von welcher Band könnte man das leichter lernen als von Yes!
Die Aufspaltung in zwei Bands ist peinlich und kindisch, ja. Das ist sie immer. Aber sie hat auch dafür gesorgt, dass wir ABWH bekommen haben.

Dass wir in der ARW-Ära doppelt so viele Yes-Konzerte sehen konnten.

Nicht übel, würde ich sagen. Die eigentliche Katastrophe lag doch vielmehr darin, dass ARW sich anfangs derartig aufgeplustert haben - und dann nichts kam außer einer Nostalgotour. Angekündigt waren ja wahre Großtaten, Neuarrangements von Klassikern und raren Stücken, ja gar ein Studioalbum wurde uns versprochen! Gekriegt haben wir, mal wieder, "Roundabout", "All good People" und "Owner". Oh, und "Fragile", den Song.
Sorry, aber ich krieg Narkolepsie, wenn ich all das immer wieder höre. Es gibt doch wirklich interessantere Probleme in, mit und um dieser Band, die es wert wären, diskutiert zu werden! Die Live-Alben zum Beispiel. Da sind die vielen zusammengestückelten Releases ("Yesshows", "Word is Live"), da sind Lücken, wie die schmerzlich fehlenden Live-Alben zu wichtigen Tourneen der Band ("Tales", "90125", "Drama"). Persönliche Favourites meinerseits wären darüber hinaus Live-Alben zur Solo-Album-Tour und zur "Drama"-Tour. Stattdessen haben wir Live Alben von der "Open your Eyes"-Tour und die schrecklichen "Like It Is"-Scheibletten bekommen...
Immerhin scheint die Band das mit der "Tales"-Box nun ein wenig zu korrigieren. Aber wenn wir Pech haben, sind das nur aufgehübschte Bootlegs. Es gilt, vorsichtig zu sein.
Überhaupt die strategischen Entscheidungen, die die Band über die Jahre getroffen hat. "Big Generator" hätte ein Jahr nach "90125" erscheinen müssen, "Open your Ass" niemals. Die Boxen jetzt, die zehn, fünfzehn Jahre zu spät kommen, und dabei zum einen kaum Neues enthalten und zum anderen nur wenig Einblick in die Arbeitsweise der Band bieten. Howe hält da offenbar den Stöpsel drauf, das ist nicht gut.
Dann die Besetzungen. Einst hat man bei Yes gute Musiker durch bessere ersetzt. So wurde in den 70ern der große Erfolg erst möglich.

Später hat dann Geoffrey Downes den jungen Wakeman ersetzt, Kaye den alten, dann Khoroshev den alten - während Alan White erst nicht ersetzt wurde und dann durch Jay Schellen.
Oder die Produzenten. Bruce Fairbairn! Roy Thomas Baker! Billy Sherwood! Wie kann so etwas passieren.
Die Setlisten. Immer wieder die gleichen Songs. "Roundabout", "All good People", "Owner". Die Band braucht den Mut, ihre aktuellen Alben live zu spielen. Da ist beileibe nicht alles schlecht.
Was noch? Das Marketing ist mir lange Jahre völlig unverständlich gewesen. Nehmen wir nur das total versemmelte 50. Jubiläum zum Beispiel. Das ist so etwas Seltenes! Wie viele Bands schaffen es schon, so alt zu werden!

So etwas vermarktet sich doch praktisch von selbst. Wie konnte man das derart in den Sand setzen? Immerhin hatte man... - wart ... 50 Jahre Zeit, um sich darauf vorzubereiten...
A propos Setlisten, a propos 50 Jahre: Was mir fehlt, schon seit (vielen) Jahren, ist eine klare Entscheidunug, ob man eine Nostalgiemaschine sein will, mit der alte Recken durch die Lande ziehen, um die alten Sachen für die alten Fans zu spielen, oder ob man lileber eine lebendige Band wäre, die neue, für die Gegenwart relevante Musik machen will. Yes machen irgendwie beides, und beides nicht besonders gut. Auch in diesem, vielleicht dem wichtigsten Punkt fehlt es an Strategie.
Und so geht das weiter, nicht nur bei der Mutterband, auch bei den Solo-Unternehmungen und den Ablegern. Da ist Jon Anderson, der nicht versteht, dass das Leben endlich ist und die Leute von ihm die zweite Anderson/Stolt wollen, die zweite Anderson/Geeks, "Chagall", mehr Musik a la "Open", "Violin Stories", "Guitar Concerto" und dafür weniger "Roundabout", "All good People" und "Owner". Oder Billy Sherwood, der es immer und immer wieder versucht obwohl kaum jemand seine Abseits-Pojekte mag. Gut, dass wir Rabin, Wakeman und all die anderen haben, die mit ihren Solo-Projekten nicht enttäuschen.
Und so geht das weiter. Also, das sind für mich die eigentlichen großen Kontroversen bei Yes. Sie sind ein wenig versteckter, stecken tiefer in der DNA der Band und sind deshalb vielleicht nicht so leicht zu sehen wie der x mal durchgenudelte Streit um "Tales", der um "Drama" oder der um Rabin. Aber sie sind interessant, meine ich.