Danke, Soon, für deine ausführlich geschilderten Eindrücke. Es ist einfach gut, wenn man sich vor und nach dem Konzert austauschen kann, ein wenig erzählen, über Musik, aber auch über alles mögliche… Leider war die Zeit rund ums Konzert wieder einmal viel zu kurz – dennoch war es klasse, JoAndI und Soon wieder zu treffen. Wir müssen das wiederholen…
Mein Bericht über das Konzert ist sicherlich nicht repräsentativ – das Publikum war absolut begeistert, trotz der schwierig zu handelnden Akustik, trotz der Sitzplätze und des großen Abstandes zur Bühne, trotz des totalen Fotografierverbotes … und trotz des neuen Line-Ups. Eine tolle Atmosphäre – allerdings doch nicht zu vergleichen mit YESKonzerten der vergangenen Jahre…dennoch, der Band merkte man die Freude über so viel Enthusiasmus im Publikum sichtlich an. Fast alle waren begeistert darüber, endlich mal wieder ihre Lieblingsmusik zu hören, diese genialen Songs für einen Abend live von der Band zu hören, zu And You And I zu schwelgen, zu Roundabout zu tanzen – ein wohl wunderbarer One Night Stand.
Für mich bedeutet YESMusik und YES Live aber etwas anderes, Musik wie Konzerte sind ein wichtiger Teil meiner Sozialisation, lebensbegleitend…
So war dieses Konzert auch nicht von ungefähr mein 25. YESKonzert in 35 Jahren…
YESKonzerte waren für mich immer kleine Feiertage, ein Kribbeln, ein Einstimmen und Vorbereiten, das zunahm, je näher der Abend kam. Und das Konzert selbst – meist pure Energie, zweieinhalb Stunden entrücken, musikalischer Kosmos, das Gefühl unbeschreiblich… das schaffen manche wohl mit Drogen nicht.
Ich gebe es zu, weiß hier ja eh jeder, ich bin ein DiehardYESFan – ich reise zu Alan, Rick und Jon – und natürlich auch zu YES, auch wenn sie mal nur in London spielen.
Und ich bin (dachte ich) offen für jede Veränderung – die YESBesetzung hat ja so oft gewechselt seit meinem ersten erlebten Konzert 1974.
Nun, gestern, da hielt sich die Vorfreude merkwürdigerweise in Grenzen. Trotzdem, da, erste Reihe, Mitte, neben Soon und daneben meine beiden ebenfalls sehr „YESerfahrenen Brüder“, hinter uns Jo, das war schon kollektive Gänsehaut, als der Feuervogel musikalisch über uns schwebte.
Was dann kam – völlig unerwartet für mich - die pure Enttäuschung, Fassungslosigkeit. Trotz all der guten Vorsätze, der reduzierten Erwartungshaltung – ich konnte Benoit David bei Siberian Kathru beinahe nicht ertragen – und von Oliver Wakeman war fast nichts zu hören. Was für ein großartiger Song – was für ein Desaster. Ich war schon drauf und dran zu gehen, denn I´ve Seen All Good People war noch schlimmer, weil es hier, im Gegensatz zu SK, kaum noch großartige Instrumentalparts gab.
Wenn man da sitzt, sich kaum zur Musik bewegen kann, nicht in sie versinkt, dann kommt man auch leicht ins Grübeln. Was mich störte – Herr Benoit war tatsächlich ein Jon Anderson – Klon. Seine Stimme ist der von Jon zu ähnlich, um sie als eigenständigen Beitrag zur YESMusik zu akzeptieren. Dauernd diese Vergleiche. Genau das hatte ich mir vorgenommen, sollte nicht passieren. Ich stellte mir vor, wie Peter Gabriel hier klingen würde, Annie Haslam…alles wäre besser gewesen. Nichts gegen Benoit David - absolut nett, sprach mit dem Publikum, zog seine Performance durch und ist sicher ein guter Sänger. Aber – er hat kein Charisma, und leider, leider trug er sehr wenig Eigenständiges bei. Wenn jemand wie Jon klingen will – das wird er eben nie schaffen. Ein guter Sänger, ohne Zweifel, jeder Ton sauber getroffen, aber dennoch die Stimme dünner, viel dünner als Jon, auch wenn es in den tieferen Bereich ging – und oft ein wenig ausdruckslos. Dass er auch noch Jons Bewegungen imitierte, oh Gott… Jon ist zwar ein abgedrifteter Spiritueller, aber es ist glaubhaft, charismatisch, ergreifend.
Benoit hat da einfach zu viel nachgeahmt.
Richtig gut aber war er bei den Drama-Titeln und bei Songs, die man nicht so oft von YES hört – Astral Traveller, Onward… Schöne Songs, tolle Performance, auch weil viele Instrumentalparts diese Songs prägen. Gar nicht geht es für mich bei Klassikern wie AYAI…
Mir wurde an diesem Abend klar, wie sehr Jon für mich YES prägt(e). Unersetzlich, wenn es um die klassischen YESSongs geht. Insofern war ich fast dankbar, dass YES an diesem Abend keine Longsongs spielten – was ansonsten untrennbar mit YESKonzerten verbunden ist – CTTE, Awaken, Tales, Mind Drive…und die wahre Magie dieser Abende hervorruft.
Wenn schon der Sänger nicht adäquat ersetzt wird, dann sollte dies doch zumindest der Keyboarder sein. Weit gefehlt. Was das sollte, erschließt sich mir nicht. Einen Keyboarder, den man über zwei Drittel des Konzertes so in den Hintergrund mischt, dass man sich die KBParts dazu denken musste. Oliver Wakeman ist sicher ein guter Keyboarder und ein feiner Mensch. Aber auch er bringt keine Energie in das Geschehen. Hey, der müsste doch eigentlich brennen, jedem Ton entgegenfiebern, uns spüren lassen, wie er YESMusik liebt. Stattdessen steht er oft stoisch mit gefalteten Händen hinter seinem Turm, bis er wieder einen Einsatz hat. Manche Parts – Drama z.B. – waren klasse, bei anderen Songs kam er sehr schnell an seine Grenzen. Es kann nicht seine Spielfertigkeit sein, oder doch? AYAI so zurückhaltend zu spielen – ein magischer, bombastischer, wogender Musiktempel muss da auf der Bühne schweben, kein laues Lüftchen. Das Duell mit Steve bei SSOTS bewies aber auch, dass er nicht die kreativen Fähigkeiten seine Vaters besitzt (sorry, schon wieder ein Vergleich – aber das hab ich halt einige Male live erlebt), seine Pianoparts bei HOTS - nur noch ärgerlich.
Im den YESWorldreviews las ich (auch noch von einem bekennenden YESDauerkritiker), die zwei neuen, jungen Musiker hätten YES neue Energie gegeben… Mehr kann man gar nicht daneben liegen. Energie hatten die drei alten Männer – ein Wahnsinn, was Alan da trommelte, punktgenau, jedes Break saß, sein Feuer immer spürbar – nur sehr schade, dass auch seine Drums zu Brei gemixt wurden. Blieben noch Steve und Chris – sie nutzen den Abend zu ihrer persönlichen Performance, Squires Bass so tief in den Eingeweiden, sein Gesang so packend (wenn auch manchmal etwas schräg), seine Rolle als Bandleader sichtlich genießend. Steve Howe spielte rockig wie nie, Höchstform, einmal trat er vor Spielfreude beinahe wüst einen Mikroständer um – er wollte uns mit seinem guten Benehmen dann doch nicht enttäuschen.
Aber, wenn ich zu YES gehe, möchte ich nicht Steve Howe & Friends erleben – dann möchte ich die Musik spüren, fühlen, mit ihr abheben – das ging an diesem Abend kaum. Mit zunehmender Dauer kam auch bei mir ein wenig Freude auf, ich wollte mir den Abend ja nicht komplett verderben, ich sang einfach zu meinen Lieblingssongs mit, SSOTS sowieso – und Roundabout als Zugabe, tanzend direkt vor der Bühne, war dann doch noch ein Stück Befreiung.
Am Ende eines YESKonzertes bin ich eigentlich immer etwas traurig, weil es vorüber ist – diesmal war ich eher sehr ratlos und ich war froh, dass die Freunde aus dem Forum einige aufmunternde Worte parat hatten.
Nach dem YESKonzert ist auch immer vor dem YESKonzert – und ich fiebere schon gleich den nächsten erreichbaren Stationen entgegen. Braunschweig, Erfurt, München, die Tickets liegen ja schon bereit. Aber nein, ich verspüre nicht den Drang, diese Reisen samt Übernachtung auf mich zu nehmen… Wer also möchte – mein Braunschweigticket, erste Reihe, bevor es verfällt…
Sorry, ich musste mir das von der Seele schreiben, einen Abend voller YESMusik und fast ohne Zauber hatte ich so noch nie erlebt.
Sicher wird alles anders, wenn die fünf mal eigene, neue Lieder präsentieren, sich nicht dem ewigen Vergleich mit dem Classic-Lineup stellen müssen. Und sicher werde ich, wenn ich weiter zu YES gehen möchte, Benoit David und Oliver Wakeman akzeptieren müssen – Jon ist ja schon wieder krank, da gibt es kein Zurück mehr. Und sicher werdet ihr alle einen tollen Abend voller YESMusik genießen können.
In Erfurt werde ich mir YES nochmals ansehen – schon weil ich da Jan treffe – dann mal schauen…
Okay, diese Gefühlsduselei hier löst sich in drei Tagen von selber auf – copy and paste verboten.