[REVIEW] AndersonPonty Band - Better Late Than Never (2015)

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SOON
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[REVIEW] AndersonPonty Band - Better Late Than Never (2015)

Beitrag von SOON »

Das Universum braucht keine Zeit, deshalb ist es nie zu spät.

Der legendäre Jazzgeiger JEAN-LUC PONTY und -Prog God- JON ANDERSON verschmelzen ihre Songclassics zu kraftvollen, raffinierten Neufassungen mit Popappeal.

Die beiden lernten sich auf einem Gig des MAHAVISHNU ORCHESTRA und YES 1974 kennen.
Es dauerte bis in die 80er, ehe man im Atlantic Records Büro, konkretere Absichten, wegen einer Zusammenarbeit, besprochen hatte.
Damit, dass es sich bis 2014 hinziehen würde, hatte wohl niemand gerechnet.
Dieser Umstand führte zum Albumtitel: BETTER LATE THAN NEVER.

Was bringt zwei 70jährige dazu, nochmal eine neue Band zu gründen?
Vielleicht „Geld“, das könnten sie aber in anderen Konstellationen einfacher verdienen.
Nein, das ist eine weitere Entwicklungsstufe zweier suchender -ja- progressiver Musiker.
Was sie finden wollen ist eine Fusion aus Violine und Stimme.
Die Violine ist wohl das Instrument welches dem menschlichen Stimmausdruck am meisten ähnelt.
Gerade die Kombination Stimme/Violine macht auch den Reiz dieser Musik aus.
Dabei erreichen Anderson und Ponty eine mitreißende Intensität.

Der Plan war von Anfang an [und allen anders lautenden Aussagen zum Trotz] eine Liveaufnahme im Studio zu verfeinern und zu einem eigenständigen Werk zu entwickeln.
Zur Finanzierung wurde eine Crowdfunding-Kampagne gestartet.
In einem Projekt-Update führte die falsche Aussage, dass es sich um ein Studioalbum handeln würde, zum Ärgernis bei einigen Fans.
Nachdem Anderson und Ponty dieses Missverständnis aufgeklärt hatten, konnte die Kampagne doch noch zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden.
Anfang September 2014 trafen sich die folgenden Musiker zu Aufnahmesessions im Wheeler Opera House, Aspen, Colorado:

Jon Anderson - lead vocals, guitars
Jean-Luc Ponty - violin
Jamie Dunlap - guitars
Wally Minko – keyboards
Baron Browne - bass
Rayford Griffin - drums & percussion

Drei Wochen wurde geprobt und YES als auch Jean-Luc Ponty-Klassiker zu Neufassungen umgeschrieben.
Es kamen sogar 4 gänzlich neue Songs zustande, eine reife Leistung in der Kürze der Zeit.
Am 20. September 2014 war es endlich soweit, 300 Gäste wurden Zeuge von APB’s Debutkonzert, das wie geplant, aufgezeichnet wurde.
Bis Ende des Jahres wurden die Aufnahmen in einer umfangreichen Postproduktion ausgearbeitet.
Im Januar gab es Unstimmigkeiten zwischen Jamie Dunlap und dem Rest der Band, die bald zur Trennung führten.
Musikalische und terminliche Differenzen wurden als Grund angeführt.
Mit Jamie Glaser hatte man schnell adäquaten Ersatz gefunden, der wie alle anderen in der band, schon mit Ponty gearbeitet hatte.
Vermutlich wollte man rechtliche Querelen aus dem Weg gehen und ließ Glaser die, ohnehin spärlichen, Gitarreneinsätze von Dunlap neueinspielen.
Schließlich hatte man eine Verpflichtung gegenüber den Backers der Crowdfunding-Kampagne.
Der geplante Termin war so nicht zu halten, aber im September 2015 kam das Werk endlich ans Licht der Welt.
Und wieder könnte es heißen: BETTER LATE THAN NEVER.

„Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind gleichzeitig“

Das Album wird von einem orchestralen, hymnischen "Intro" eröffnet, dass die Band ohne Anderson & Ponty vorstellt.
Mit scharf akzentuierten Hieben eröffnet Ponty den Song “One in the Rhythm of Hope” das von seinem Album “Mystical Adventures“ inspiriert ist.
Anderson schrieb einen Text und Gesangsteil, der die schroffe Violineinleitung fortsetzt und einen erzählenden Charakter verleiht.
Mit "A für Aria" präsentiert Anderson eine neue Ballade die durch Pontys Zwischenspiel sehr viel Tiefe bekommt.
Ein weiteres Highlight folgt mit "Listening with Me", aus der Pontyschmiede, das ebenfalls von Anderson durch eindringliche Vocalpassagen eine völlig neue Interpretation erfährt.
Jon überrascht bei allen Songs mit melodischen Einfällen, die sich erst nach mehrfachen Hördurchläufen öffnen.
Weitere sehr beeindruckende Pontystücke sind "Infinite Mirage" und "Renaissance of the Sun", bekannt von "Enigmatic Ocean" und "Aurora".
Andersons Stimme und Pontys Violine korrespondieren und interagieren auf unvergleichliche Art.
Jon behandelt seine Stimme wie ein Instrument und Jean-Luc lässt die Geige singen.
Anderson/Ponty glückt damit ein Experiment das in der Musikhistorie nur wenig erprobt ist.

Für verzichtbar halte ich den Megahit "Owner of a lonley heart".
Er wird zwar sehr gut umgesetzt und erhält durch die Violine neue Facetten, kommt aber allzu routiniert rüber und stört die Albumdramaturgie.
Genauso geht es mir mit dem YES-Klassiker "Time and a Word".
Zwar wird der Track im Reggeastil sehr mitreißend gestaltet, wirkt aber als Fremdkörper in den anderen zwischen Rock und Jazz pendelnden Musikstücken.

Anderson garantiert durch seine fließenden, bruchlosen Melodielienen unwiderstehliche Momente und Zugänglichkeit.
Die Band agiert dazu äußerst kompakt, verliert sich nie in instrumentalen Ausschweifung oder gar Progrock-Niederungen.
Kultiviert wird ein sehr feinnerviges Bandkorsett, das viele Details hervorbringt.
Brillant, zum Beispiel, in der groovigen Neukomposition "Soul Eternal" mit kraftvollen Rhythmen und feinem Instrumentalwerk umgesetzt.

Mit den YES-Wunderwerken "Wonderous Stories" und "And You and I" wird es kritisch.
Was sollte man diesen Kompositionen noch hinzufügen können.
Genau: Nichts!
Es sei denn man reduziert sie auf ihr Skelett und baut auf ein folkig-jazznahes Setting.
Somit gelingt eine Seelenwanderung von YES-Music, zur mit größtmöglicher Zurückhaltung begleitenden, AndersonPonty Band.
Bei "Roundabout" legt die Band eine atemberaubende Dynamik vor.
Die Solo-Momente wurden reduziert und der Track auf 5 Minuten gestrafft.
Da wird jede Menge Energie freigesetzt.
"I See You Messenger" ist der einzige Titel, der nicht aus den Liveaufnahmen entwickelt wurde.
Herausgekommen ist ein geradliniger Popsong, der gewaltige Ohrwurmqualitäten besitzt.
Es ist schon lange her, dass Jon Anderson solch einen Gassenhauer hervorgebracht hat.
Mit "New New World" legt Anderson ein Highlight seines letzten Soloalbums “Survival & Other Stories” vor.
Ein optimistischer rockiger Song, der sich mit der Entwicklung zur Information/Internet-Kultur befasst.

„Music is the Messenger“

Mit BETTER LATE THAN NEVER setzten sich Jean-Luc Ponty und Jon Anderson über ihre eigenen Grenzen von Jazz und Rock weg und legen ein, überraschend, allgemeinverständliches Album vor.
Nur selten gelingt es Musikern zum Ende ihrer Kariere hin, ihre musikalische Heimat zu verlassen und in eine andere Richtung zu gehen.
Sicher war die Entscheidung, das Debut mit einem Studio/Live-Hybrid umzusetzen, die effizienteste Lösung.
Der wesentliche Unterschied zur Live-Performance besteht darin, dass Anderson und Ponty zusätzliche Gesangs- bzw. Violin-Passagen hinzufügten.
Der Verzicht auf LA-Studiolack kostet vielleicht ein paar Mainstreamhörer, bietet aber einen lebendigen, klaren Livesound mit studiotypischem Wohlklang.
Einziger Kritikpunkt wären für mich die beiden Stücke "Owner of a lonley Heart" und "Time and a Word", die etwas wie Fremdkörper in der Albumdramaturgie wirken.
Für sich stehend gefallen mir aber auch diese Versionen.
Als Bonus erhält man noch, bei der Deluxe-Ausgabe, eine gelungene DVD mit 10 visuell nach bearbeiteten Tracks, sowie Interviews und Ausschnitten von Proben.

Im November 2015 lief eine erfolgreiche Nordamerika-Tour, die den, in den letzten Jahren, durch Krankheit geschwächten Jon Anderson in ausgezeichneter Verfassung präsentierte.


1. Intro [Minko] (1:17)
-> Neues Stück # 8/10
2. One in the Rhythm of Hope [Ponty/Anderson] (4:34)*
-> Song: Rhythms of Hope ~ Album: Mystical Adventures # 10/10
3. A for Aria [Anderson/Enrico Tomat] (3:22)
->Neues Stück # 8/10
4. Owner of a Lonely Heart [Anderson/Rabin/Squire/Horn] (5:04)
-> YES: 90125 # 6/10
5. Listening with Me [Ponty/Anderson] (5:39)*
-> Song: Stay with Me ~ Album: A Taste for Passion # 10/10
6. Time and a Word [Anderson/David Foster] (5:30)
-> YES: time and a Word # 7/10
7. Infinite Mirage [Ponty/Anderson] (3:48)*
-> Song: Mirage ~ Album: Enigmatic Ocean # 9/10
8. Soul Eternal [Ponty/Anderson] (4:58)
-> Neues Stück # 9/10
9. Wonderous Stories [Anderson] (4:01)
-> YES: Going for the One # 10/10
10. And You and I [Anderson/Bruford/Howe/Squire] (3:00)
-> YES- Close to the Edge # 8/10
11. Renaissance of the Sun [Ponty/Anderson] (6:36)*
> Song: Renaissance ~ Album: Aurora # 10/10
12. Roundabout [Anderson/Howe] (5:27)
-> YES: Fragile # 10/10
13. I See You Messenger [Anderson/Damon Anderson/Sean Anderson] (3:50)
-> Neues Stück # 9/10
14. New New World [Anderson/Dunlap] (3:46)
-> Anderson-Solo-Stück # 8/10
* Jean-Luc Ponty Stücke

Score: 8,5/10
MAKE PROG NOT WAR ! ---> ---> My 2024 Album Faves
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Re: AndersonPonty Band - Better Late Than Never (2015)

Beitrag von SOON »

hier gehts zum Album des Monats, von Topo -> http://yesforum.phpbb8.de/post65156.html#p65156
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