[REVIEW] Heaven and Earth (2014)

veröffentlicht: 18.07.2014

Jon Davison ; Geoff Downes ; Steve Howe ; Chris Squire ; Alan White
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JJG
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[REVIEW] Heaven and Earth (2014)

Beitrag von JJG »

Rezension: "Heaven and Earth"

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Nun war Tom auf der Überfahrt nach Cork. Den Winter hatte er an der portugiesischen Küste verbracht und den Fischern geholfen.
Sie kannten sogar seinen Großvater Juan und im Kirchenregister fand er Namen seiner Vorfahren. Vielleicht hatte er deshalb Salzwasser
im Blut und genoss jede Stunde auf See. Er liebte das kleine Fischerdorf und konnte im Haus seiner Großmutter wohnen, dort fand er in
einer alten Bibel noch einen Brief, der an sie gerichtet war. Die Tinte war verwaschen, nur der Stempel und die Briefmarke des Umschlags
verrieten dessen Herkunft. Er konnte wieder glauben und sah ein neues Ziel …

Auf einem Segelschiff erreichte er im Frühjahr nun endlich von Brest aus Cork an der Südküste der Insel. Die Marke war in Cill Airne
abgestempelt, der irische Name von Killarney. Im Hafen verdiente er sich etwas Geld und konnte mit der Irisch Rail bis zum Ziel fahren.
Es war Mitternacht al er ankam, ein kleiner Pub hatte noch zwei Gäste. Er bestellte sich ein dunkles Bier, welches eine Wohltat war, denn
der Mai war in diesem Jahr schon ungewöhnlich warm und er konnte seinen Durst stillen.


„Believe Again“
Wenige Platten von Yes beginnen mit Songs, die nach wenigen Sekunden gleich mit Gesang einsetzen und dann in einen eingängigen
Rhythmus münden. Großteils wurde das Stück „Believe Again“ von Jon Davison komponiert und getextet. Grundgerüst sind überschaubare
Akkorde auf der Gitarre und eine eingängige Melodie, die nur von einem Intermezzo unterbrochen wird, das aus der Feder von Steve Howe
stammt und auch auf einem Asia-Album seinen Platz gefunden hätte. Auch der Mix und die Produktion sind sehr auf die Herausstellung der
Stimme ausgerichtet, selbst die kleinen Soloparts bleiben im Hintergrund wenn nicht mehr gesungen wird. Davison vermittelt mit dem Text
seine positive Grundeinstellung, die aber auch von Zweifeln geprägt ist und sich neu definiert, vielleicht eine Sinnsuche für sein Leben. Wenn
man die vielen kleinen Puzzleteile der letzten Jahre verfolgt hat, dann dürfte es einer der ersten Songs gewesen sein, die Jon D. den anderen
Bandmitgliedern offeriert hat. Vielleicht ist es deshalb auch das ausgereifteste Stück auf „Heaven and Earth“ und ein guter Opener.

„The Game“
LP- Seite 1 wird dann durch „The Game“ komplettiert. Interessant, man hat hier ein Doppelalbum gewählt, obwohl die Stücke noch auf eine
normale LP gepasst hätten. Auch dieses Stück wirkt eher kompakt, die Produktion unterscheidet sich wesentlich von früheren Alben. Steve
liefert hier wieder ein kleines Intro. Hauptsächlich wurde das Stück aber von Chris Squire geschrieben, was schon einige Zeit zurück liegen
dürfte. Vielleicht schon für das zweite „The Syn“ Album der Neuzeit. Die Co-Komposition erfolgte mit dem Keyboarder Gerard Johnson und
Jon Davison hat den Text verfeinert. Dieses Stück ist ein gutes Beispiel für die gewisse Inkonsequenz des neuen Albums. Es wird eine
einfachere, eingängigere Struktur gewählt, deren Würze aber mit der Ausdehnung der/des Songs verloren geht. Da rettet auch Dr. Howe
mit kleinen Solos nichts mehr. Hinzu kommen noch Backing-Vocals die ein belangloses „Dub-Du-Du“ einbringen, denen es an Originalität
mangelt. Man kann ja auf das nächste Stück hoffen. Live spielt Chris den Bass rauer, somit korrigiert er die glattgebügelte Produktion aus
dem Studio.

„Step Beyond“
Nun der erste Howe-Song des Albums und leider der erste Tiefpunkt. Warum? Steve hat laut Interviews ca. 15 Songs geschrieben, die für
„Heaven and Earth“ und das neue Studio-Album seines Trios bestimmt sind. Die Band hat gemeinschaftlich die vorliegende Songauswahl
vorgenommen, was war denn sonst im Angebot? „Step Beyond“ tänzelt im Pop-Rhythmus vor sich hin, ist von lyrischen Reimversuchen
durchflutet und wird von tausendfach gehörten Keyboard-Sequenzen gekrönt. Auch wenn hier und da ausgebrochen wird, ist zu befürchten,
dass eben nicht die besten Stücke auf „H&E“ gelandet sind, er sich diese für das Trio aufgespart hat. Wie wäre es denn mal mit einer jazzig
angehauchten Gitarre im ungewöhnlichen Rhythmus gewesen? Jon Davison’s Gesang rettet das Stück noch ein Stück weit, kann aber die
textliche Belanglosigkeit nicht vergessen lassen. Sonst ist das Lied ein wenig klarer gemischt. Auffällig in den Interviews mit Steve ist auch,
dass er sich bezüglich des Albums eher gerechtfertigt hat, kaum mal ein positiver Satz wie „es hat Spaß gemacht, mir hat am besten ….
gefallen“ oder so ähnlich. Euphorie kommt in seinen Interviews auf, wenn er auf das Trio-Album angesprochen wird. Das ist bezeichnend.

„To Ascend“
Es folgt das erste Stück, das Jon D. mit Alan White geschrieben hat. Es dürfte sich auch um einen Song handeln, der schon 2012 von beiden
unter dem Arbeitstitel “Zenith“ entwickelt wurde. Alan hat eine Piano-Melodie komponiert, die sehr gut zu Jons Songgerüst passte. „To Ascend“
tritt in die Fußstapfen von Balladen wie „Wonderous Stories“ oder „Nine Voices“, die das Repertoire von Yes versüßt haben. Davison ist hier
kompositorisch und textlich sehr nahe an Jon Andersons Alben wie „Songs of Seven“ oder „Animation“, liegt im Timbre aber etwas tiefer.
Den Mix muss man ein klein wenig kritisieren, das Piano ist kaum zu hören, man hätte es wenigstens auf der Akustikversion für die japanische
Version hervorheben können. Trotzdem der Höhepunkt des Albums, auch wenn dieser kurz ausfällt. Ein Stück zum Träumen mit Gänsehautfaktor.
Passend dazu gibt es das Platten-Cover und das blaue Vinyl, welches an die kühlen klaren Wasser von Gebirgsseen erinnert und Sehnsüchte weckt.

Der wolkenlose Himmel tauchte das Firmament in ein meergleiches Blau und der Vollmond erhellte die Pfade bis zum Muckross Lake. Ein kleines
Boot war am Steg angebunden und er stieg ein. Das sanfte Schaukeln der Wellen wiegte ihn in den Schlaf. Als die Morgenkälte in seinen Gliedern
zwickte, fand er sich auf dem See wieder. Das Boot glitt sanft hinüber zur Teufels-Insel. Er schöpfte ein paar Schluck Wasser mit den Händen.
Es war kristallklar, aber sanft, so wie die Schaumkrone des dunklen Bieres. In der Tasche hatte er noch ein altes Stück Brot, welches ihm als
Frühstück diente. Die Morgensonne tauchte den Purple Mountain in tausend rote Farbtöne und zog ihn magisch an und er wusste nun das Ziel
seiner Reise. Ja er war ein Pilger der sein Ziel nicht kennt. Der Frühsommer ließ die tausend Rhododendren erblühen, die dem Berg sein Kleid
gab. Der Aufstieg fiel ihm schwer, aber er musste es schaffen. Immer höher kletterte er hinauf bis er es mit letzter Kraft die Anhöhe erreichte.
Der Ausblick war wie eine innere Eingebung, von hier aus konnte er in die Gap of Dunloe, die schmale Schlucht sehen, die der River Loe
durchströmte. Aber die Weite bis hin zum Atlantik erfüllte sein Herz. Er sah nun wieder all die Dinge, die ihm früher so wichtig waren.


„In A World of Your Own“
Platte #2 aufgelegt was passiert? Yes goes Motown, warum nicht? Ein neuer Farbtupfer in die Yes-Historie, der leider eher nach hinten losgeht.
Nach mehrmaligem Anhören alternierte meine Stimmung zwischen witzig und peinlich. Ein Song, den die Jungs auch in irgend einer Bar
aufgeschnappt haben könnten. Nur Yes haben (in dieser Besetzung?) nicht das Feeling dafür, besser würde der Song im Trio HSW funktionieren.
Eher ein Lied das zu einer stereotypen Filmszene passt, bei der sich eine Frau eine Feder-Boa umhängt und eine Geschichte von bösen Buben singt.
Davison hat nicht den Klangumfang oder Soul in seiner Stimme um dieses Stück authentisch zu präsentieren. Zu seiner Rettung auch kein Song
für seinen Namenvetter Anderson. Chris‘ Stimme wäre dafür eher geeignet. Zu Geoffs Orgel-Figuren am Ende des Songs möchte ich mich dann
lieber nicht öffentlich äußern. Vielleicht auch nur ein ironischer Song, der sich mir nicht erschließen will.

„The Light of The Ages“
Ein kleines Stück Prog folgt, welches mich deutlich an Steve Walsh von Kansas erinnert, das sowohl vom Songaufbau, der Art zu singen, als auch
vom Textinhalt. Walshs Vorliebe für die Einsamkeit und der Songaufbau spiegeln sich hier wieder. Jon Davison zeichnet sich hier als Solo-Komponist
aus. Wenn er Steve Howe‘s Gitarrenspiel als typisch britisch bezeichnet, dann kann man seine Songstrukturen hier als typisch amerikanisch bezeichnen.
Vielleicht ein Grund warum Mr. Baker Howes Beiträge eher als Support versteht, denn als gleichberechtigtes Instrument. Auch hier passt das Cover
zum Text, eine Eislandschaft wird vom Polarstern beleuchtet. Ein schönes Stück, dem es an einer guten Produktion mangelt, aber auch Billys Mix
überzeugt mich nicht. Dafür kann man Geoff ein Lob aussprechen, der einen ansprechenden dezenten Beitrag für den Song liefert.

„It Was All We Knew“
Zurück in die Hippie-Ära geht es mit Steves zweiter Komposition für das Album. Fast authentisch im Mix der 6oer, deutlich reduzierte Instrumentation,
sehr ungewöhnlich für einen Yessong. Dr. Howe „schrammelt“ die akustische Gitarre im Lagerfeuer-Feeling und legt etwas elektrische Klänge darüber.
Ein wehmütiger juveniler Text von unbeschwerten Zeiten, oder einer der das Leben auf sehr wenige bedeutende Gesichtspunkte reduziert? Vielleicht auch
schon Altersmilde.

„Subway Walls“
Das letzte Stück des Albums soll dann wohl noch einen versöhnlichen Schlusspunkt unter das Albun setzen. Downes und Davison zeichnen sich für das
Stück verantwortlich und komponierten einen Song, der durchaus in die Sparte Retro-Prog passt. Viele kleine Puzzleteile wurde zusammengesetzt, kleine
Melodien, Sequenzen, Rhythmuswechsel usw. Downes bedient sich hier anfangs flächiger Klassik und lässt die Keyboards im ersten Teil an ein
Streichorchester erinnern. Dann setzt die ganze Band ein und überrascht mit einem Stimmungswechsel , trotzdem mit angezogener Handbremse,
etwas mehr Tempo meine Herrn. Die Übergänge sind nicht richtig rund, hier und da vermisst man ganze Tonspuren … Alan holt das Drum-Feeling
heraus, das er im Duo mit Bruford während der Union-Tour erzeugt hat. Dann nimmt die Band doch Fahrt noch auf und Steve blitzt auf, dann wieder
schwerfälliges Midtempo und Jon Davison stellt die Sinnfrage, „Is there meaning in the stars, or does graffiti on subway walls?“. Vielleicht liegt die
Antwort in der Auswahl des Songtitels „Subway walls“, denn das Stück hätte ja auch „Meaning in the Stars“ heißen können. Dabei hat der Song
Potential bleibt aber über weite Strecken hinter vielen Stücken der letzten Alben zurück.

Zwei Tage später erreichte er Waterville und schaute den Fischern zu, die ihren Fang einbrachten. Die Bucht war erfüllt von mildem
Seeduft und dem Geruch von Tang. Millionen Steine in Grün-, Blau und Rottönen ließen die Bucht erstrahlen und in der Sonne glitzerten die Segel
wie die Lichter der Milchstraße im Meer. Er genoss die Abendsonne, die sein Gesicht erwärmte und fühlte die Freiheit der Sinne, die seine Seele
durchströmte. Es gab keine Fragen mehr …


Die Band hat noch einen ganzen Sack voll Songs und der von vielen erwartete Longtrack hat es aus Zeitgründen nicht auf das Album geschafft.
Howe sah sich mit dem Rücken zur Wand, und Squire vermeldet das am schnellsten eingespielte Album der Band. Warum eigentlich? Offensichtlich
hinkte man doch dem Zeitplan den Vertragsklauseln hinterher. Das Budget wurde für einen Produzenten vergeudet, der nicht wirklich was mit
Yes-Musik anfangen kann und seine Klienten offensichtlich nach einem Einheitsschema produziert. Alle Bandmitglieder waren nach dem ersten
Check so erschrocken, dass man das Album von Billy Sherwood (nach-)mischen ließ. Das war sicherlich der richtige Schritt, der das Album letztlich
nicht rettete.

Es bleibt ein Album mit guten Ideen und viel Enthusiasmus von Jon Davison mit schönen Momenten und guten Songs, die albherzig umgesetzt wurden.
Der Rest der Band bleibt über weite Strecken weit hinter den Möglichkeiten zurück.

Die Yes-Fans, die vor allem die Süße und Hochtonmusik von Yes lieben und tief in die emotionalen Melodien eintauchen können, werden sich in den
(einigen) Songs wohlfühlen. Für die Yes-Fans, die große Melodiebogen mögen, die in instrumentale Ausflüge eingebettet sind und die kompositorische
Freiheit der Yes-Musik bevorzugen, die jenseits von stereotypten Songsstrukturen liegt, werden vom Album eher enttäuscht sein.

Für mich ist es ein Album mit positiver Stimmung und guten Ideen, das hinter meinen Erwartungen zurückgeblieben ist. Auch im Vergleich mit jüngeren
Werken wie „In the Presence of“, „Fly from here“ (Suite), „New Language“, „Universal Garden“, „That that is“ oder „Endless Dream“ liegen Welten,
bleiben alle Stücke des neuen Albums zurück. Insofern ist „Heaven and Earth“ im Yes-Maßstab kein wertvolles Album.

Man kann nur hoffen, dass die Band eine Möglichkeit findet ein neues Studio Album in den Mittelpunkt der Arbeit in den nächsten Jahre setzt und nicht
in ein enges Zeitfenster presst, das keine Möglichkeit zur Entfaltung bietet. Genug Material ist da und auch eine Überarbeitung der Songs für eine
Livepräsentation ist ja immer noch möglich.

Das ist aber nicht der Untergang einer der weltbesten Bands, den so mancher Kritiker heraufbeschwört. Vielmehr ist es eine Herausforderung für die
Band, die die Vollendung des fünften Jahrzehnts anstrebt.

Ich wünsche dieser Band ein gutes Augenmaß und Glück und die Besinnung auf das, was sie seit vielen Jahrzehnten ausmacht.

Diskussions-Thread hier:
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Saaldorf
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TheTopographer
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Heaven and Earth (2014)

Beitrag von TheTopographer »

Ganz nett ist nicht gleich 'Scheiße'!!

:dfbboygrimasse: Heaven & Earth kann gar nicht schlecht sein, denn es ist von YES? :dfbboygrimasse:

Soweit würde ich nicht gehen, allerdings ist dieses !-! AKTUELLE STUDIOALBUM !-! sicherlich auch kein Kind von Traurigkeit.

'Heaven&Earth' ist schon oft auf meinen Tellern gelaufen, das Album bietet einen leichten Zugang. Ich hab' das CD Digipack und das Vinyl Doppelalbum in der sofort vergriffenen blauen Edition :tanzen4: (und noch ein zweites Exemplar, das verschweißt bleibt). Ich bewerte das Album zwischen 6 und 7, je nach Stimmung, Neigung und Laune.

Zur Hälfte sind es gute Songs, Tracks 1, 2, 6 und 8 sind gute Yes Nummern, haben ein gutes musikalisches Niveau. Die andere Hälfte fällt in mehrererlei Hinsicht ab.

Wichtigstes Element dieses Albums ist Jon Davison, der dem Bandsound eine neue Stimme gibt, die Arrangements mit Leben erfüllt. Das meiste Material auf 'Heaven & Earth' ist ja auf die Lyrics zugeschnitten, die öfter auf sehr angenehme Weise anspruchsvoll und aufwändig inszeniert sind. Sein Gesang ist engagiert, voller Hingabe und Seele und klingt gut! Was so nebenbei auffällt, der Mann hat einen längeren Atem als Weiland Jon! Davison hält die Töne an den richtigen Stellen schön lange, was so richtig gut kommt!

Der opener und der closer sind klassische Yes Stücke, eigentlich schon jetzt Klassiker! 'Believe Again' hat etwas märchenhaftes! :0337rainbow: Zudem klingt es auch noch irgendwie festlich! Die Keyboardsounds sind perfekt ausgewählt, gelungenes Arrangement -Traumhafte Atmosphäre!
Track 2, 'The Game' finde ich in der Melodie und der Atmosphäre gelungen, auch das Arrangement ist Gehaltvoll. 'Light Of The Ages', Track 6, hat trotz Schwächen im Arrangement eine gelungene Atmosphäre, wirkt, je nach Laune, ein klein wenig episch, was ja eher nett ist.

'Subway Walls' ist die gute echte Yes Tradition, so eine Nummer kann nur Yes komponieren. Unzählige Bands können frickeln aber nie in der Art wie Yes es können. Die meisten sind entweder zu hart im Sound, pathetisch aber zu plump in den Arrangements, zu frickelig im Ansatz, zu düster, zu straight, zusehr NeoProg, zu wenig melodisch, zu schnoddrig, zu weinerlich, zu hausbacken, zu schwerfällig usw. etc. Yes bleiben da das Maß aller Ansätze.

Es gibt selbstverständlich interessantere, komplexere Longtracks wie 'The Revealing Science Of God' von Yes aber 'Subway Walls' mit seinem herrlichen 15/16 Rhythmus und dem Bach'schen Feeling gesellt sich im Clubhaus der Longtracks zu 'South Side Of The Sky', 'Perpetual Change', 'Dreamtime', 'On The Silent Wings Of Freedom', 'Does It Really Happen', 'Brother Of Mine', 'The Prophet', 'Miracle OfLife', 'Starship Trooper' und den anderen.

Die anderen Nummern reichen von:
'Ich schummel' mich durch (weil ich eigentlich ganz nett bin!)': 3. 'Step Beyond', über
'irgendwie missraten': 5. 'In A World Of Our Own', zu
'Ich troddel (bis auf einen break) so vor mich hin': 7. 'It Was All We Knew'
bis hin zu einem völlig belanglosen, blassen 'Ich plätscher' so völlig ohne jeden Verve dahin': 4. 'To Ascend'.

'To Ascend'. Ich hab' wirklich nicht den leisesten Schimmer, wie Hörer ausgerechnet diese totale Schlaffi-Düdel Nr. noch auf der Habenseite des Albums verbuchen können. Dieses Stück ist für mich der Kernpunkt der Schwäche, ein Alptraum so schlimm wie ein durchschnittlicher Barclay James Harvest Song (naja, fast!), umgeben von schwachen Tracks wie 'In A World Of Our Own' und 'It Was All We Knew'.

Insgesamt macht die durch das sehr gute Artwork geschaffene Atmosphäre wieder etwas wett, denn schnell lässt sich eine gefühlte Verbindung von Artwork zur guten Seite der Musik herstellen. Außerdem, und das ist sicher auch Geschmackssache, finde ich den Studiosound des Albums sehr gelungen. Keys und Gits ergänzen sich immer wieder auf's Schönste, verweben ihre Klänge manchmal, wie in 'To Ascend', geradezu märchenhaft. Etwas trocken und weich, nicht gemacht um zu knallen, erinnert der Albumsound an den klassischen 'Yes Album', 'Fragile', 'Drama' Studiosound. Yes hatten ja nur sehr selten die großen Hallräume, so wie in 'Aim High Shoot Low', so wirkt der Studiosound vertraut und kultiviert, fügt seinen Teil zu einem insgesamt doch eher harmonischen Eindruck von 'Heaven & Earth'.

Trotzdem: Anstatt der zu oft auftauchenden Seichtigkeiten, hätte ich etwas mehr Experimentierfreude auf der instrumentaltechnischen Ebene erwartet. Anstatt vier leichter Lala Songs lieber einen echten, dicken Longtrack mit mehr Improvisation und etwas Exotischem, einer Art mystischem Spezialeffekt wie die Drumperformance in 'Ritual' oder der legendäre Mittelteil von 'The Gates Of Delirium' oder die fantastischen 'Waves Of Memory' in 'High The Memory'; alles Höhepunkte in kreativer und musikalischer Hinsicht.
Richtig geil wäre es auch mal ohne diesen ewigen Zwang zum straighten durcharrangieren, dafür mehr Improvisation.

Auch nur ein weiterer Track des Kalibers' 'Subway Walls' oder 'Believe Again' anstatt der vier Schlaffies' auf einem dann etwas kürzeren Album. Wäre schon perfekt gewesen! :jubripu:
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SOON
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Re: Heaven and Earth (2014)

Beitrag von SOON »

@ TheTopographer, vermutlich ärgert es dich aber ich habe deinen ursprünglich Threadtitel "Ganz nett ist nicht gleich 'Scheiße'!!" abgeändert.
Wir legen großen Wert darauf, dass die Threadtitel direkt auf den Inhalt des Threads hinweisen.
Sonst haben wir in Kürze ein Chaos aus Textfragmenten hier.
Ich hoffe, auf dein Verständnis.

Zu deiner Rezension bzw. Einschätzung kann ich in großen Teilen nur zustimmen.
H&E wurde zu unrecht teilweise verrissen.
Locker hätte man auf 3-4 Stücke verzichten können, das hätte die Platte ziemlich aufgewertet.
H&E ist vielleicht die YES-Platte mit den meisten Seichtigkeiten aber ich finde sie hörbarer als Open your Eyes.
THX! :jc_doubleup:
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Royale
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Re: Heaven and Earth (2014)

Beitrag von Royale »

Vielen Dank für diese vorurteilsfreie und frische Rezension, TheTopographer!

Damit machst du mir doch gleich Lust, dem Album noch eine Chance zu geben :88n:
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nixe
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Re: Heaven and Earth (2014)

Beitrag von nixe »

Leider habe ich immernoch den Verdacht, das sich Deine Rezi besser anhört als das Album selbst! Aber, wie schon erwähnt, Du beschreibst es supergut, sodaß ich neidisch werden könnte!!!
Tschüß
nixe

Musik hat die Fähigkeit uns geistig, körperlich & emotional zu beeinflussen!

!!!I like Prog!!!

!!!Wenn die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten!!!
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TheTopographer
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Re: Heaven and Earth (2014)

Beitrag von TheTopographer »

Hallo,

nope, kein ärgern, langsam werden mir die Verhaltensweisen im Yes Forum vertraut.
Ohne Verständnis geht nix.
:passtscho:
... ... ...!!!VINYL FIRST!!!... ... ...

Horselover59
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Re: Heaven and Earth (2014)

Beitrag von Horselover59 »

Interessant, dass <Heaven & Earth> als NICHT ganz so schlimm wie <Open Your Eyes> gesehen/gehört wird. Das klingt in meinen Ohren wie das beamtete/amtliche <minder-giftig>! Aber mal ehrlich: Ist DAS YES? War <Open Your
Eyes> etwa YES? (Ich war damals im Konzert in Mannheim! Au Backe...) - Man sein, dass ich da etwas hartherzig bin, aber DAS SIND NICHT YES! NEVER EVER! <Francise-Mucke>, Vertragserfüllung, Konten-Auffüller, aber KEINE Mus-ik, die auch nur annähernd etwas auslöst wie, sagen wir: <Close To The Edge>, <Fragile>...etc...
You get the Picture? Selbst beim Vorgänger bekam ich KEINE Gänsehaut...nur <Buggles-Ohren>.
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Re: [REVIEW] Heaven and Earth (2014)

Beitrag von JJG »

Auch schon wieder fünf Jahre her, für mich ein Anlass das Album zu hören. "Subway Walls" gewinnt an Zuspruch, die anderen Songs
fallen für mich noch weiter ab, als in Review vor 5 Jahren. Ein neues Studio-Album lässt auf sich warten. Eigentlich kann es nur besser
werden.
Aus heutiger Sicht wären die Songs gut in einem akustischen Gewand aufgehoben gewesen, Akustische Gitarren mit satten Akkorden
hätten den Songs besser getan, Steve liefert hier wirklich seine schlechteste Leistung auf einem Yes oder Asia Album ab. Streckenweise
dudelt er eher etwas über die Songs. Jon D. singt leider zu hoch, ein tieferes Timbre würde die Songs aufwerten. Aber es ist wie es ist.

Mit mäßigem Klang, aber in besserm Gewand hier mit Jon D. auf der CTTE 2015



Um Längen besser ist die akustische Version für die japanische Pressung:

"We are truth made in heaven, we are glorious" (Anderson/Stolt 2016)

Saaldorf
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