[REVIEW] Johnny Harris: All to bring you morning

Das weitere Umfeld und sonstige Verbindungen zu YES ; Tony Levin, Eddie Jobson, Roger Dean, Eddie Offord, Jeff Berlin, Atlantic Records......
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Topographic
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[REVIEW] Johnny Harris: All to bring you morning

Beitrag von Topographic »

Johnny Harris: All to bring you morning



Jon Anderson, Steve Howe und Alan White zusammen auf einem Album aus dem Jahr 1973, die Zeit, zu der YES definitiv am kreativsten waren?

Da mag das Herz des YESFans doch gleich ein wenig höher schlagen. Und natürlich verdient es „All to bring you morning“ deshalb, ein wenig unter die Lupe genommen zu werden. Möglich machte das nun RHINO durch eine CD-Neuauflage der 1973 erschienenen LP, die mit den Jahren zu einem ultrararen Sammlerstück wurde. Mir gelang es jedenfalls nie, die reservierte Lücke im Plattenschrank auszufüllen…

Dass es zu der Zusammenarbeit (oder besser den Gastauftritten) der YESMusiker mit dem Trompeter, Pianisten, Komponisten, Arrangeur und Produzenten Johnny Harris kam, ist einmal mehr dem Umstand zu verdanken, dass man zur selben Zeit in den Londoner Advision Studios arbeitete und der musikalische Kontakt nicht ausbleiben konnte.

Harris hatte nach der sehr erfolgreichen Produktion mehrerer Alben von Showgrößen wie Petula Clark, Shirley Bassey, Lulu, Engelbert Humperdinck oder Tom Jones in den 60ern (und dann auch in den siebziger Jahren - teilweise stand er mit ihnen auch live auf der Bühne) 1969 einen Vertrag bei Warner Bros. über zwei Soloalben erhalten. Sein Debut „Movements“ erhielt begeisterte Kritiken, viel Airplay und hohe Verkaufszahlen (geschickter Weise hatte er einen Titel zur Mondlandung auf der LP, der in den USA wohl richtig gut lief) und so waren die Erwartungen an das zweite Album „All to bring you morning“ hoch gesteckt.
Wie schon bei „Movements“ , wo er u.a. „Something“, „ Light My Fire“ und „Paint It Black“ coverte, setzte Harris vor allem auf Fremdkompositionen.

Die Songs und Musiker:

1. Imagine [Lennon] (3:50)
2. All to Bring You Morning [Harris, Jon Anderson steuerte die Lyrics bei] (14:17)
3. Love Song [Leslie Duncan] (3:21)
4. Norwegian Wood (This Bird has Flown) [Lennon/McCartney] (2:34)
5. Pavane [Gabriel Fauré] (4:08)
6. You've Lost that Lovin' Feelin' [Mann/Spector/Weil] (9:03)

Johnny Harris: piano (1-3, 6), voices (2)
Jon Anderson: solo vocal (2)
Alan White: drums (1-3, 6), percussion (1-3, 6)
Steve Howe: guitars (1-3, 6)
Pete Kirtley: guitars (1-3, 6)
Colin Gibson: bass (1-3, 6)
Steve Gregory: flute (1-3, 6), alto sax (1-3, 6)
John Bromley: voices (2)
Harold Fisher: drums (4, 5)
Chris Spedding: guitar (4, 5)
Tony Campo: bass (4, 5)
Roger Coulam: organ (4, 5), piano (4, 5)
Johnny Dean: percussion (4, 5)
Strings led by Pat Halling
Arrranged and produced by Harris
Recording engineer: Martin Rushent (1-3, 6), Eddie Offord (4, 5)


Obwohl Steve Howe Credits für 4 Songs erhielt, ist er mit Bestimmtheit nur auf dem Titelsong zu erkennen. Die Gitarrenspezialisten unter euch mögen mich eines Besseren belehren.
Alan White lernte bei den Aufnahmen zu „All to bring you morning“ mit Kirtley, Gibson und Gregory übrigens die Musiker kennen, die mit ihm dann auch seine Solo-Lp „Ramshackled“ (viewtopic.php?p=81351#p81351) einspielten.
Bemerkenswert auch, dass sich Harris für „Norwegian Wood“ und „Pavane“ – hier wechselte er die Musiker komplett aus – den YES-Produzenten Eddie Offord ins Studio holte. So bleibt eigentlich kein Song dieser LP ohne Beteiligung aus dem YES-Umfeld.


Imagine:

Die LP startet mit einem wunderbaren akustischen Gitarrenintro, das durchaus nach Steve Howe klingt (Wir werden ihn bei seinem ASIA-Auftritt fragen!) um dann, unterstützt von Bass, Drums und Flöte in einen schönen, leicht kitschigen Orchesterteil überzugehen, der über den Streichern zunächst Bläser in den Vordergrund stellt um dann der Akustikgitarre ihren Raum zu geben, ehe der Song sanft ausklingt. Schöne Instrumentalversion.

Dann schon das Highlight – das titelgebende 14-Minuten-Opus „All to bring you morning“:

Alan White eröffnet einen Funkpart erster Güte, der neben Bläsern zunächst Harris‘ Piano und dann auch Alans Präsenz immer wieder in den Vordergrund rückt, ehe der Song in einen ruhigen Pianoteil übergeht. Nach vier Minuten hat der YESFan dann alles, was ihn musikalisch berührt: sanfte Streicher, bombastische Bläser und eine treibende Gitarre bereiten Jon Andersons zweiteiligen Vocalpart vor, dazwischen darf sich Steve Howe auf seiner Gibson in bester „Yours is no disgrace“- Manier austoben – nach sieben Minute empfiehlt sich die Repeattaste, denn der YES-Song ist leider viel zu schnell zu Ende. Ein furioser Orchesterpart führt dann weder in ruhigere Gefilde – hier wird schon deutlich, dass sich Harris künftig als Komponist von Filmmusik einen Namen machen wird.
Wunderbar melodiös, fast meditative Parts, Breaks, diverse instrumentale Solis, klasse Bläserakzente, landschaftmalende Streicher, dann wieder voller Drive – der Song packt bis zur letzten Sekunde.


Schön kurz fällt anschließend der "Love Song" aus,

eine Adaption von Lesley Duncans Hit, den sich auch Elton John auf seinem dritten Album Tumbleweed Connection 1970 borgte. Duncan war in den 60ern und 70ern hauptsächlich als Backroundsängerin (u.a. Dusty Springfield) gefragt, ist euch vielleicht aber auch durch ihre Gesangsparts auf „Dark Side Of The Moon“ (backing Vocals) und Alan Parsons „Eve“ bekannt.
Hier werden ihre Vocals durch Streicher ersetzt, begleitet von Flöten und akustischer Gitarre. Einige schöne Akzente aber können es nicht verbergen – Liebe wird musikalisch oft sehr kitschig interpretiert und Langeweile mag sich durchaus einstellen – deshalb wohl auch dir Kürze des Titels. Von Alan White ist hier fast nichts zu hören…


Noch kürzer fällt die Interpretation des Lennon/McCartney-Songs „Norwegian Wood" aus

– zum Glück. Flirrende Zuckergussstreicher und nervige Bläsersequenzen nehmen dem Song seine geniale Schlichtheit. Dazu starken Kaffee, bitte!!

Das lässt für die Interpretation der 1887 vom französischen Komponisten Gabriel Fauré für Orchester und optionalen Chor geschriebenen „Parvane“ nicht Gutes ahnen

– die Befürchtung wird erfüllt. Sanfte Langeweile senkt sich über den Raum – untermalende Musik, keinerlei Nachhaltigkeit – dann doch lieber die Version, die Ian Anderson mit Orchester auf die Bühne gebracht hat.
Eddie Offord schwebte bei der Produktion der beiden Songs wahrscheinlich auf Klangteppichen und Graswölkchen in anderen Dimensionen.

„You’ve Lost That Lovin‘ Feelin‘“ ,

1965 ein Nr. 1 Hit der Righteous Brothers, glänzt dagegen wieder durch tolle Bläserarrangements, die für harten Kontrast zu den weichspülenden Streichern und den flirrenden Flöten sorgen. Eine treibende Rhythmussektion – endlich ist Alan wieder präsent - und heftige Breaks geben der immer wieder ins Seichte abdriftenden Produktion ihren besonderen Reiz- ebenso wie ein Gitarren-Flöte-Piano-Part, der die LP ausklingen lässt.

Braucht man die CD?
Als DiehardYesfan – tja. Die Sequenz, auf der Steve, Jon und Alan gemeinsam zu hören sind, könnte auf jedem Yesalbum ihren Platz finden… Doch für drei Minuten 10 - 20 Euro zu investieren lohnt ansonsten nur, wenn man sich gerne schön altmodisch orchestrierte Instrumentalversionen bekannter Oldies und Evergreens anhört.

All to bring you morning ist auch ein Dokument musikalischen Zeitgeistes – ich mag es durchaus.
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