PRIVATE PARTS & PIECES I (1978)
Studio Album, released in 1978
Songs / Tracks Listing
1. Beauty And The Beast (4:08)
2. Field Of Eternity (5:10)
3. Tibetan Yak-Music (6:09)
4. Lullaby - Old Father Time (1:15)
5. Harmonium In The Dust (or Harmonius Stradosphore) (2:29)
6. Tregenna Afternoons (7:49)
7. Stranger (6:08) (Bonus Track, nur auf CD)
8. Reaper (7:38)
9. Autumnal (5:57)
10. Flamingo (11:06)
11. Seven Long Years (2:58)
12. Silver Song (3:19) (Bonus Track, nur auf CD).
Total Time: 62:06
- Anthony Phillips / acoustic, classic & electric guitars, piano, harmonium, pin piano, vocals
+ Harry Williamson / graphics/producing (Track 3)
LP PVC 7905 (1978) USA
LP - Arista records AFLP1
CD Virgin CDOVD 317 (1990)
CD Virgin 261 064 (1990)
Wenn man THE GEESE & THE GHOST liebt, SIDES schätzt, und auch die von Anthony
alle selbst gesungenen Titel von WISE AFTER THE EVENt akzeptiert, und sich fragt:
Wie nun weiter? - ist PP&P I der logische erste Schritt in das Phillips-Universum.
Von allen Platten nach TG&TG finden wir hier die meisten Spuren von Genesis (bei
Titel Nr. 2 "The Field Of Eternity" sogar einen Schnipsel des Stückes "Pacidy"
welches uns in der Version von Genesis zumindest als Live at the BBC Nightride-
Broadcast forliegt (Archive 67-75, CD 4), und SACD/DVD-Audio-Bonus CD der
1. Box (Gabriel-Years).
"Field Of Eternity" ist definitiv eine der besten Gitarren-Kompositionen (genauer: für
6-saitige Nylon-Gitarre) von Phillips überhaupt. Filigran und voller Charme vermag
es zu überzeugen, wo einige 12-saiter uns beinah erschlagen wollen. Auch enthält es
ein Zitat aus "Pacidy", vergleiche 01:59 - 2.28 (hier) mit der Genesis-Version Live At
The BBC 00:49 - 01:08). Für viele Jahre war dies (da Anthony es im Booklet so kund
und zu wissen tat) die einzige hörbare Spur von "Pacidy", bis ein Tape der BBC-Nightride
broadcast erstmalig auf bootlegs wie "Twilight Alehouse" von Flashback Records, oder
der "GOLD COLLECTION" (welche damals auch "Submarine" aus den Abacab-Sessions
enthielt, auftauchte) - später natürlich die Archive 1-Box.
In ähnlicher Weise vermag das Gitarrenstück "Tregenna Afternoons" zu überzeugen.
Bei jenem Stück verwendet Anthony sowohl 12-saitige als auch 6-saitige Gitarren.
"Flamingo" ist ein eher wuchtiges Werk für 12-saitige Gitarren.
"Lullaby- Old Father Time" (Titel 4) ist eine (von einigen) instrumentaler Versionen des
"Love Song For A Vanished Ballerina", betitelt: "Seven Long Years" (Titel 11) für Anthonys
große, unerfüllte Liebe Lucy Burke.
Mit "Stranger" hören wir einen der besten Songs von Anthony überhaupt, komponiert
und getextet 1969. Banks und Phillips - so belegt es das Interview von Paul Russell
am Ende seines Buches - sind sich heute nicht mehr einig, ob es beim berühmten
1. Genesis-Auftritt, dem "Balms Dancing" in Godalming, gespielt wurde. Anthony meinte:
Nein, es war von der Gruppe nicht eingeprobt, Peter hat es nie gesungen, und ich
(er, Anthony), hätte es sich zu singen nie getraut. Tony Banks, dem Anthony einige
Seiten früher oder später ein superbes Erinnerungsvermögen zugesteht, meint "sie"
(also Genesis!) hätten es wohl doch einige Zeit im Programm gehabt (also mit Peter
on vocals?) Man bemerkt aber dann auch, warum es textlich (wie beinah alle Songs
von Anthony) nicht wirklich als Genesis-Song (nach Trespass) getaugt hätte:
Es ist zu privat, zu weit entfernt von der Musical-Box und Giant-Hogweed Allgemeingültigkeit.
"Reaper" ist ein zentrales Stück von Anthony, welchem wir auch als "Electric Reaper"
auf der PP&P II als Teil der dortigen "Scottish Suite" wiederbegegnen; es wird getragen
von (allerdings nicht gerade "gewöhnlichen, also schwieriger zu spielenden) Akkorden
und Mustern, und es überzeugt durch Anmut und Schönheit der Melodie.
"Silver Song" hören wir hier in der längeren, von Anthony selbst gesungenen Version,
mit der "Oh Baby" - Bridge. Bei der Live-im-Studio-Version für Radio Clyde (1978) lässt
Anthony diese bridge hingegen selbst weg. (Die bekanntere Version singt ja Phil Collins,
enthalten ist sie endlich auf dem Remaster von THE GEESE & THE GHOST, CD 2. Auch hier
erklingt die bridge nicht, was verwunderlich ist, da der Song an Harmonien wenig hergibt,
und geradezu nach Raffinessen schreit. Signifikant ist die Collins-Version auch durch das
keyboard-Solo von Anthony in der Coda, welches durchaus Wakeman-esque Züge hat.)
Dazu gibt es dort, - auf der TG&TG CD2 -auch einen basic take, dem man abhören kann,
dass die up-gespeedeten Versionen ursprünglich in G-Dur gespielt wurden. Wieso Anthony
die beiden doch relativ eingängigen "Publikumserfolge" "Stranger" und "Silver Song" damals
nicht mit produzierte, sondern wahrscheinlich erst 1986 für das CD-release einspielte, ist mir
schleierhaft. Wahrscheinlich brauchte es seine Zeit, bis Anthony das Interesse der Fans an der
alten Genesis-Trivia (Zitat Tony Banks, Archive 1 Book, Vorwort) akzeptierte, und jener
Rechnung trug.
"Harmonium In The Dust" ist eine der wenigen Arbeiten von Anthony mit E-Gitarren-
Beteiligung; in diesem Falle hören wir eine (für ihn erstaunlich agressiv gespielte)
Fender-Stratocaster über einem Tret-Harmonium erklingen. Das STück ist "demanding",
bringt aber ein wenig von der power seiner Fender (da wohl eher eine Telecaster)
auf "The Knife" zurück.
Private Parts & Pieces 1 ist wohl gelungener als all seine Nachfolger, weil es die Post-
Genesis Periode von Phillips dokumentiert und man sich bei vielen Titeln vorstellen kann,
wie gute Genesis-Harmonien daraus geworden wären und weil es Abwechslung lebt. Ärgerlich
und liebenswert zugleich an Phillips ist sein Hang zum Allzu-Fragmentarischen und zum
Nicht-Arrangierten. Ab und zu mal ein E-Gitarren-Solo statt Gesang/Klavier oder Gesang/
Akkustik-Gitarre wäre wohl entscheidend besser. Tendenzen dazu gibt es bei "Reaper" und
"Harmonium In The Dust". Phillips verließ Genesis wohl weniger wegen seines sicher nicht
ubeherrschbaremen Lampen-Fiebers oder der Unwilligkeit, die Imperfektion von Live-Auftritten
akzeptieren zu können oder der gleichzeitigen Werbung mit Peter Gabriel um dessen spätere
Frau Jill, als aus der Erkenntnis, dass sein pastoraler Romantizismus in dieser Band Jahr für Jahr
mehr auf der Strecke bleiben würde (was auch Steve Hackett später noch schmerzlich
realisieren sollte). Wenn man in den Songs und Stücken nicht mehr oder weniger sehen will,
als sie darstellen, nämlich ein nicht wirklich strukturiertes Festhalten von Ideen und Fragmenten
auf einer Reihe von eigens dazu kreierten, zumeist ebenso unstrukturierten Samplern, hat man
eine wunderbare Platte zum Träumen in der Abenddämmerung.