Poor Genetic Material

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Aprilfrost
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Poor Genetic Material

Beitrag von Aprilfrost »

Bild
Neugierig gemacht durch einen kleinen Hinweis im it-Forum klickte ich mich durch zur Website der Band, die zwar professionell gemacht, aber auch nicht zu aussagefähig ist, wenn man sich näher mit den Hintergründen beschäftigen will. Was verbirgt sich nun hinter diesem (hoffentlich) ironisch gemeinten Namen?
Poor Genetic Material gelten als eine der entwicklungsfreudigsten Bands der Progressive- und Art-Rock Szene. Die Mitglieder sind:
Bild Stefan Glomb - Guitars
Bild Philipp Jaehne - Keyboards
Bild Phil Griffiths - Vocals
Bild Dennis Sturm - Bass
Bild Dominik Steinbacher – Drums
Auf dem letzten Album ist sie auch dabei:
Bild Pia Darmstaedter

Gegründet von Gitarrist Stefan Glomb und Keyboarder Philipp Jaehne, widmete sich PGM aus dem Mannheimer Raum zunächst der Arbeit an Soundtracks für Theaterstücke, die meines Wissens aber nicht auf Tonträgern erhältlich sind.
1999 nahmen sie das Album „Free To Random“ auf, und 2001 begannen sie mit ihren „Jahreszeitenzyklus“, der die Alben „Summerland, „Leap into Fall“, „Winter’s Edge“ und „Spring Tidings“ erfasst. 2007 folgte „Paradise out of Time“ und in diesem Jahr erschien ihr – wie ich meine – Magnum Opus „Island Noises“.
Bei PGM handelt es sich um eine reine Studio-Band, deren Mitglieder im „richtigen“ Leben ihr Geld in ganz „bürgerlichen“ Berufen“ verdienen. (Dominik Steinbacher ist der einzige Profimusiker unter ihnen.) Nachteil für uns Hörer: wir werden die Band nicht live erleben. Vorteil: da sich die Musiker herzlich wenig um kommerziellen Erfolg scheren, können sie ihre musikalischen Ideen verwirklichen ohne auf Verkaufszahlen schielen zu müssen.

2001 stieß Phil Griffiths, Sänger der Band „Alias Eye“, zu PGM. Seine markante Stimme ergänzte auf ideale Weise die Klangteppiche der Keyboards und die ausdrucksstarke Gitarre, die schon in frühen Aufnahmen der Band zu hören sind.

Ein paar Worte zu den Alben:

Free to Random...
ist das Produkt von "Auftragsarbeiten". PGM schrieb rein instrumentale, soundscapeartige "Soundtracks" für Theaterprojekte. Aus diesem Material haben sie zwei Alben entwickelt, die aber nur als CD-R in Umlauf gebracht wurden. Bei den Arbeiten an "Spring Tidings" hörten sich die Musiker die alten Sachen nochmal an und fanden, dass man sie eigentlich doch veröffentlichen sollte. Das Material wurde überarbeitet (teils remixed, teils neu eingespielt) und dann als Free to Random rausgebracht.

Summerland
Schon während der instrumentalen Phase hatten PGM Ideen für Stücke für ein klassisches Band Line-up. Leider fehlte noch ein Sänger und ein Drummer. Das änderte sich als Phil Griffiths zur Band kam, der dann auch gleich seinen Drummer mitbrachte. Als Sohn eines in der Szene bekannten Rock-Sängers war und ist er die ideale Besetzung für diesen Posten. Und ganz nebenbei hatte das den großen Vorteil, dass PGM nun einen englischen Sänger hatten, also der manchmal etwas peinliche Akzent manch anderer deutscher Sänger ausgeschaltet war.

Leap into Fall
Summerland war zunächst als Zusammenarbeit für ein Album geplant. Der Spaß, den die Band bei den Aufnahmen hatte und die Reaktionen auf das Album überzeugten sie allerdings schnell, dass sie in dieser Besetzung weiter machen wollten. Dazu stieß noch Dennis Sturm am Bass und so war Leap into Fall das erste Album, das von Anfang an als Bandalbum konzipiert war und eingespielt wurde.

Winter's Edge

Leap into Fall hatte unter den Prog-Fans sehr begeisterte Reaktionen hervorgerufen. Allerdings bedauerten manche, die bereits mit PGM vertraut waren, dass die atmosphärischen Passagen auf diesem Album etwas zu kurz kämen. Das sollte, passend zum Thema des Albums, nun wieder anders werden. Interessant auch, dass hier Musik, Texte und Artwork wirklich in einem gemeinsamen Prozess entstanden und eine echte Einheit bilden.

Spring Tidings
Drummer Ludwig Benedek wurde die Doppelbelastung mit Alias Eye zu viel, ein neuer Drummer wurde gesucht. Dazu kam noch der Umzug des Studios, so dass sich die Aufnahmen lange hinzogen. (So lange, dass Stefan und Philippp in der Zwischenzeit schon das komplette Material für das nächste Album geschrieben hatten). Ein exzellentes Album, das ich sehr häufig höre. (Was ja nicht nur an der Jahreszeit liegen kann.)

Paradise Out Of Time
Schon während der Spring Tidings Sessions entstanden Ideen für Songs, die in eine andere Richtung gingen als die langen, atmosphärischen Stücke, für die PGM bekannt sind: kürzere, kompaktere, einfacher instrumentierte Songs, aufgenommen in einer Live-Atmosphäre. „Paradise out of Time“ konzentriert sich auf Songwriting, auf Melodien und Texte.

Island Noises
ist als Konzept-Album angelegt, inspiriert von William Shakespeares The Tempest, dem sich auf einer geheimnisvollen Insel vollziehenden Sturm. Dabei wird das Drama nicht Szene für Szene nacherzählt, sondern es werden Themen, Stimmungen und Charaktere aufgenommen und musikalisch umgesetzt. Dieses Theaterstück bietet eine Steilvorlage für die Phantasie von Klangmalern und ihrem Publikum. Wir begegnen einem Zauberer nebst Luftgeistern und einem deformierten Monster. Es geht um Liebe und Magie, um Intrigen, skrupellose Machtpolitik und versuchtes Attentat, es geht um den Stoff, aus dem die Träume sind. Sänger und Instrumentalisten geben hier alles. Es werden nicht einfach beliebige Tonfolgen und Harmonien zusammengemischt. Man hört vom ersten bis zum letzten Akkord, dass hier Könner am Werk sind, die ihren Hörern und sich selbst mit dem Album eine Freude machen. Der Titelsong des Albums ist ein Longtrack von ungefähr 20 Minuten Dauer.

Mit Pia Darmstaedter haben sich PGM eine weitere professionelle Musikerin an Bord geholt, die sehr gerne auf diesem Album mitgespielt hat, weil sie hier einfach so Flöte spielen kann, wie sie möchte – ohne Vorgaben eines Dirigenten.

Es ist immer schwierig, Bands miteinander zu vergleichen. Beeinflusst ist PGM durch Bands, die schon in den 70er Jahren für ihre Progmusik berühmt waren und es zum Teil heute noch sind. Weitere Einflüsse waren z. B. Police, Eno und David Sylvian. Philipp Jaehne muss glücklicherweise nicht aller Welt beweisen, wie schnell man die Finger über die Tasten flitzen lassen kann. Seine Sache ist es, der Musik Substanz zu verleihen, wie es bei Camel oder bei Grobschnitt zu hören ist.

Stefan Glombs Gitarre fasziniert mich. Was er an Klängen aus diesem Instrument holt, hat eine Bandbreite, wie man sie nur selten findet. Manchmal hab ich das Gefühl, seine Gitarre sei ein empfindendes, einfühlsames Wesen, das sich selbst auszudrücken weiß.
Dennis Sturm am Bass ist mir schon auf dem Stück Watercolours auf Spring Tidings aufgefallen, noch bevor ich das erste Album von PGM in den Händen hielt. Er beweist, dass man sich an diesem Instrument nicht aufdringlich in den Vordergrund spielen muss, um als guter Musiker wahrgenommen zu werden.
Dominik Steinbacher spielt die Drums … (ja, was ist das Gegenteil von steril?), was die Musik unwahrscheinlich lebendig macht. Ich fühle mich an Bill Bruford erinnert, muss aber eingestehen, dass ich vom Schlagzeug-Handwerk herzlich wenig verstehe.
Zu Philip Griffiths hatte ich oben schon etwas geschrieben. Seine Stimme erinnert mich zuweilen an Peter Hammill, Michael Sadler von Saga und natürlich an Martin Griffiths von Beggar’s Opera, der auf den „Island Noises“ die Rolle des Narrators, des Erzählers einnimmt. Übrigens stammen die Texte nicht, wie man erwarten könnte, von Griffith, sondern von Jaehne und Glomb, die beide Anglistik studiert haben.

Tubes gibt es leider nicht, einige wenige Tracks sind aber hier zu finden: http://www.myspace.com/poorgeneticmaterialsound

Die CDs sind beim Quixote-Label aufgelegt und haben allesamt eine hervorragende klangliche Qualität. Für mich ist Poor Genetic Material die Entdeckung des Jahres.
Ausblick: Es gibt schon Ideen für ein neues Album, das wieder eine literarische Grundlage haben wird.

Bedanken möchte ich mich bei Philip Jaehne für den freundlichen Kontakt per Email und für die Auskünfte, mit denen er mir bei der Erstellung dieses Textes behilflich war.

DocFederfeld
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Re: Poor Genetic Material (Band der Woche, 09.05. - 2205.)

Beitrag von DocFederfeld »

Vielen Dank für die Vorstellung.

Relativ preiswert gibt es eine ganze Reihe der Alben zur Zeit bei Just_For_Kicks zu bestellen.

Der Teemeister
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Re: Poor Genetic Material (Band der Woche, 09.05. - 2205.)

Beitrag von Der Teemeister »

Vielen Dank für diese - wie immer sehr gelungene und informative,
vor allem aber ausführliche Vorstellung der Band, welche Lust auf
mehr macht. Ob das "Genetic"da wohl ein wenig an eine uns lange
vertraute Band anklingen will?

Dank Dir kenne ich die "Island Noises"; und kann sagen: Das ist eine
echte Entdeckung, - auch wieder vom Kaliber: hätte ich nicht gedacht.
Shakespeares "Sturm" wurde auch schon von Michael Nyman vertont,
als Filmmusik zu Peter Greenaways: "Prospero's Books".

Bild
(ja, was ist das Gegenteil von steril?)
: agil.
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Aprilfrost
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Re: Poor Genetic Material (Band der Woche, 09.05. - 2205.)

Beitrag von Aprilfrost »

DocFederfeld hat geschrieben:Vielen Dank für die Vorstellung.

Relativ preiswert gibt es eine ganze Reihe der Alben zur Zeit bei Just_For_Kicks zu bestellen.
Danke für den Tipp. Wenn man noch was anderes bestellt und das Porto spart, ist das eine gute Gelegenheit. Ansonsten gibt es z.B. die "Free to Random" bei jfk für € 8,99, bei Quixote für € 6,95.
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JJG
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Re: Poor Genetic Material (Band der Woche, 09.05. - 22.05.)

Beitrag von JJG »

Einen großen Dank für diese ausführliche Darstellung einer guten Band.
Frosti hat da ohnehin ein gutes Händchen ... 8-)
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Saaldorf
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Roland
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Re: Poor Genetic Material (Band der Woche, 09.05. - 22.05.)

Beitrag von Roland »

Auch ich habe den Einstieg bei dieser Band problemlos geschafft. Was mir sehr gefällt ist, dass die Stimme von Phil Griffiths deren seines Papa's Martin so ähnlich ist. Denn dieser hat die massgeblichen Platten bei Beggar's Opera besungen. (Na ja, hat Frosti oben ja schon geschrieben). Und wenn ich nun PGM höre, schwebt immer der Geist von Beggar's Opera im Raum. Und das empfinde ich durchaus als angenehm.
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SOON
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Re: Poor Genetic Material (Band der Woche, 09.05. - 22.05.)

Beitrag von SOON »

Mein erster Kontakt mit PGM war Anfang des Jahrtausends als ich im Plattenladen meines Vertrauens, in Mannheim, eine Demoversion von Summerland in die Hand gedrückt bekam.
Die Musik, besser gesagt Soundscapes, klang schon interessant aber ohne Gesang und Bandcharakter geriet sie doch schnell wieder aus dem Bewusstsein.
Besser fand ich da die erste Alias Eyes.
Inzwischen hat Frostie jedoch die Flamme von PGM mit Spring Tidings wieder angefochten.
Hier hat sich inzwischen eine reife Band geformt die ohne Neoprog-Klischees auskommt.
Die Neugierde auf Island Noises wurde inzwischen auch schon geweckt aber bis jetzt zehre ich noch von Spring Tidings. [smilie=thumbsup.gif]
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SOON
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Re: Poor Genetic Material

Beitrag von SOON »

POOR GENETIC MATERIAL: A Day In June
VÖ: 10.05.2013
Nach der erfolgreichen Umsetzung von Shakespeare’s The Tempest auf ihrem letzten Album Island Noises widmeten sich POOR GENETIC MATERIAL einem weiteren Literatur-inspiriertem Projekt. Dieses bot ihnen auch die Möglichkeit, einen lange gehegten Plan endlich umzusetzen, nämlich PGM-Sänger Phil Griffiths und seinen Vater Martin (ex BEGGARS OPERA) als Leadsänger auf einem Album zusammenzubringen. Auf A Day in June, haben Martin und Phil je zwei Lead Tracks, bei drei weiteren Songs teilen sie sich den Gesang.
http://www.justforkicks.de/detail.asp?s ... 0&id=15813

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Aprilfrost
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Re: Poor Genetic Material

Beitrag von Aprilfrost »

SOON hat geschrieben:POOR GENETIC MATERIAL: A Day In June
VÖ: 10.05.2013
Nach der erfolgreichen Umsetzung von Shakespeare’s The Tempest auf ihrem letzten Album Island Noises widmeten sich POOR GENETIC MATERIAL einem weiteren Literatur-inspiriertem Projekt. Dieses bot ihnen auch die Möglichkeit, einen lange gehegten Plan endlich umzusetzen, nämlich PGM-Sänger Phil Griffiths und seinen Vater Martin (ex BEGGARS OPERA) als Leadsänger auf einem Album zusammenzubringen. Auf A Day in June, haben Martin und Phil je zwei Lead Tracks, bei drei weiteren Songs teilen sie sich den Gesang.
http://www.justforkicks.de/detail.asp?s ... 0&id=15813

Bild
A Day In June hat seinen ersten Sommer hinter sich gebracht. Was für ein Sommer!
Und was für ein Album! Ich gestehe: seit mich Poor Genetic Material mit ihrer Musik
überzeugt haben, ist Spring Tidings mein Lieblingsalbum dieser Band. Daran konnte
auch das großartige 2CD-Album Island Noises nichts ändern. Aber nun muss mein
Lieblingsalbum ganz tapfer sein, denn mit dem umwerfenden Day in June hat es eine
ernsthafte Konkurrenz bekommen.
Meistens bin ich mit den Reviews auf den BBS nicht wirklich einverstanden, aber
Thomas Kohlruß hat für diese Musik Worte gefunden, die ich 1:1 übernehmen kann.
Daher hier einfach der Link
Babyblaue Prog-Reviews: Poor Genetic Material: A Day In June: Review

Wer als Freund des melodischen Progs bisher noch nichts von PGM gehört hat, sollte jetzt
die Gelegenheit ergreifen. A Day in June ist der perfekte Einstieg in diese wunderbaren
Klangwelten.
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Roland
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Re: Poor Genetic Material

Beitrag von Roland »

"A Day In June" ist auf dem Postweg zu mir verloren gegangen...jetzt muß ich mich erneut gedulden. :cry:
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