Jethro Tull / Ian Anderson

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Aprilfrost
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Jethro Tull / Ian Anderson

Beitrag von Aprilfrost »

1967 gründeten Ian Anderson, Mick Abrahams, Clive Bunker und Glenn Cornick die Band Jethro Tull, die zuvor schon unter verschiedenen Namen aufgetreten war. Ich hörte Ian Anderson mal in einem Radiointerview sagen, dass ihre Musik einfach so stümperhaft gewesen sei, dass man sie niemals am selben Ort zweimal hören wollte. Also erfanden sie jedes Mal einen neuen Namen um auftreten zu dürfen. (Einmal sei es fast schief gegangen, als Ian von einem Club-Besitzer wiedererkannt worden war und der ihn darauf ansprach. Ians Antwort: „Oh no, that must have been my brother and his band. They really are very ugly.”)
Der Funke sprang über, als man sich gerade nach einem berühmten Bauern des 18. Jahrhunderts benannte: Jethro Tull (dessen Grab man von der Themse aus sehen kann.) Bei diesem Namen blieb es bis heute.
Der Durchbruch gelang mit dem Konzept-Album „Aqualung“, das heute noch zu den legendären Alben des Prog gehört. Der Titel „Locomotive Breath“ aus diesem Album hat von seinem Drive und seiner Anziehungskraft nichts verloren.
Die Band um das verbliebene Gründungsmitglied Anderson Martin Barre kam erst 1968 dazu – brachte etwa 20 Studio-Alben heraus. Ungefähr genauso viele Musiker hatten auch bereits die Ehre, zur Band zu gehören.
Eine schöne Übersicht über die Formationen bietet Old Wikipedia (Genesis-Fans mögen das Kleingedruckte bis zu Ende lesen):
Bild
Dominiert wird die Musik von JT von der Querflöte und der rauen Stimme von Ian Anderson. Doch auch das Saitenspiel von Martin „Lancelot“ Barre, der neben Akustik- und E-Gitarre auch die Laute perfekt beherrscht, hat vielen Tracks den unverkennbaren Tull-Stempel aufgedrückt.
Anspieltipps mag ich kaum geben, daher hier zwei meiner Lieblingsstücke:
Elegy von Stormwatch (1979) und, nun ja, Locomotive Breath von Aqualung (1971), das zweite eine Live-Aufnahme, die die Spielfreude dieser begnadeten Musiker zeigt.

[youtube]1hMmMpZ64mQ[/youtube] [youtube]rQZI15dgMuQ&feature=related[/youtube]
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nixe
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Re: Jethro Tull / Ian Anderson

Beitrag von nixe »

Letzter Beitrag der vorhergehenden Seite:

Ich muß hier nochmal auf Thick as a Brick 2 & Homo Erraticus zurück kommen, denn eigentlich haben diese beiden Alben musikalisch mehr mit einander zu tun als mit der originalen Thick as a Brick. Wenn auch die story weitergeht, bei Thick as a Brick 2, aber bei Homo Erraticus kapiere ich den Zusammenhang immernoch nicht richtig & ich habe in deutsch gelesen, was andere so schreiben, u.a. auch bbs:
http://babyblaue-seiten.de/index.php?al ... ws&alpha=j
Aber leider kommt track by track sehr dünn!!!
Tschüß
nixe

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TheTopographer
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Worum geht's bei 'Homo Erraticus'?

Beitrag von TheTopographer »

Worum geht's bei Homo Erraticus?
anixek hat geschrieben:...aber bei Homo Erraticus kapiere ich den Zusammenhang immernoch nicht richtig & ich habe in deutsch gelesen, was andere so schreiben...
Das ist gar net so schwer! :boys_0137:
Ian Anderson hat folgende Idee:

Der Gerald, die alte Säule, der hat eine Art Tagebuch entdeckt, geschrieben von einem Mann namens Ernest T. Parrit, der vielleicht um 1900 seine beste Zeit hatte und übrigens eine reale Person ist (!), ...ja, der Gerald hat also dieses Manuskript von dem Mann entdeckt und 'erzählt' uns auf dem Album was da geschrieben steht.

Des' war's.

Mr. Parrit hat da ein ungewöhnliches Büchlein geschrieben, nicht einfach ein Tagebuch, mehr eine Art subjektive Chronik der Menschheit im Allgemeinen und Britanniens im Speziellen! Es heisst 'Homo Britannicus Erraticus'.

Zu Zeiten einer Erkrankung erdacht unter der Parrit litt, er hatte Malaria; eingefangen in Indien als Soldat der britischen Armee, fusst das Werk teilweise auf im Wahn, im Fieberwahn geschriebene Gedanken.
Was ich nicht zwingend für einen Nachteil halte. Im Rausch, im Wahn, in Zuständen veränderter Wahrnehmung ist so manch interessanter und dauerhafter Gedanke erblüht.
Es steht geschrieben; die Familie des Autors wollte das Manuskript unter Verschluß halten, um eine Schädigung des Rufs des Verstorbenen zu vermeiden...

Ernest T. Parrit war davon überzeugt in früheren Leben verschiedene Existenzen gelebt zu haben; so schreibt Parrit in der Tat als Chronist mit dem Anspruch 'dabei' gewesen zu sein!
Zum Teil nach Art einer Enzyklopädie, zum Teil nach Art der Prophetie, verfasst Parrit eine subjektiv gedeutete Historie des frühen Britanniens;
:88n: -Parrit als steinzeitlicher Nomade- :88n:,
spannt den Bogen weiter
:88n: -Parrit als Ehegatte Königin Victorias'- :88n:
bis in die Moderne - und - richtet, in visionärem Eifer, gleich noch den Blick in eine, nicht ausgesprochen positive, Zukunft.

Für das Jahr 2044 sieht Parrit postzivilisatorische Zustände, in denen der Mensch als 'Homo Erraticus', ganz wie in den 'alten' Zeiten, nomadisiert.

-------------------------------'Homo Erraticus', der umherwandernde Mensch.--------------------------------




...so wird ein gewaltiger, durchaus beeindruckender Bogen über viele Tausend Jahre menschlicher Geschichte gespannt und Anderson ist der Zeremonienmeister, der Erzähler, der ...
...
...Gaukler!?

Hat es diesen Ernest T. Parrit tatsächlich gegeben? Wer hat dieses außergewöhnliche Manuskript verfasst? Wie real ist der Dichter Gerald Bostock? Wer war Jethro Tull (...) wirklich? Wessen Idee ist der Künstler 'Ian Anderson'?

...bin ich?
... ... ...!!!VINYL FIRST!!!... ... ...
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nixe
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Re: Jethro Tull / Ian Anderson

Beitrag von nixe »

THX TheTopographer für Deine Mühe, die Du Dir gemacht hast!!!
So, in etwa steht*s auch bei bbs & anderen & als ich die 5.1 DVD laufen lies, bin ich über ein für mich, zeitliches Disaster gestolpert & das hängt fest, obwohl ich nicht mehr weiß was!!! FieberWahn eben. Mein Gedanke war, das jemand den Text übersetzen würde, ohne es so genau zu schreiben. Würde aber wahrscheinlich auch nix bringen??? Vieleicht lag*s auch daran, das man es im Vorfeld als Thick as a Brick 3 angepriesen hat???
Tschüß
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nixe
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Re: Jethro Tull / Ian Anderson

Beitrag von nixe »

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JETHRO TULL: "Too Old To Rock´n´Roll: Too Young To Die!" als 40th Anniversary Edition
JETHRO TULL legen nach ihren Meisteralben "Minstrel In The Gallery", "Warchild" und "A Passion Play" nun auch das 1976er Album "Too Old To Rock´n´Roll: Too Young To Die!" als 40th Anniversary Edition nach. Etwas zu früh allerdings, der am 27. November über Chrysalis /Warner Music Entertainment wieder im aufwändigen Buchformat erscheinende Re-Release hätte erst im Frühling 2016 Geburtstag.

Auch diese "40th Anniversary Edition" erscheint wie bereits die Vorgängeralben mit 2CDs, eine mit einer wieder von Steve Wilson remasterten unveröffentlichten und differierenden Version des Albums, die JETHRO TULL extra für ein Special im englischen Fernsehen aufgenommen hatten. Dazu gibt es eine CD mit teils ebenfalls von Wilson überarbeitete alternative Versionen und vielen bisher unbekannten Aufnahmen. Zudem liegen wieder zwei DVDs bei, eine mit Video- und Audioaufnahmen von einem TV-Special zum Album sowie eine mit Aufnahmen in DTS, Dolby Digital 5.1 Surround Sound und 96/24 stereo PCM.

Das Konzeptalbum über einen alternden Rockstar war eigentlich auch als Musical geplant, woraus letztendlich nichts wurde. Genauere Infos findet man im 80-seitigen Booklet, das die ausführliche Geschichte zur Entstehung des Albums sowie Track-by-Track Notizen von Ian Anderson und bisher ungezeigte Fotografien enthält. Alternativ kann man den Re-Release auch als Einzel-CD oder als Download erwerben.

CD1:
Stereo Mixes von Steven Wilson
Re-Recorded Album (TV Special)
1. Prelude *
2. Quiz Kid *
3. Crazed Institution *
4. Salamander *
5. Taxi Grab *
6. From A Dead Beat To An Old Greaser *
7. Bad Eyed And Loveless *
8. Big Dipper *
9. Too Old To Rock ´n´ Roll: Too Young To Die! *
10. Pied Piper *
11. The Chequered Flag (Dead Or Alive) *
Fünf Original LP Tracks:
12. Too Old To Rock ´n´ Roll: Too Young To Die!
13. The Chequered Flag (Dead Or Alive)
14. Big Dipper
15. From A Dead Beat To An Old Greaser
16. Bad Eyed And Loveless
Monte Carlo Out-Take
17. Quiz Kid (Version 1) *
* Bisher unveröffentlicht

CD2:
Associated Recordings
# Mixed von Steven Wilson
1.Salamander´s Rag Time * #
2. Commercial Traveller * #
3. Salamander (Instrumental) * #
4. Small Cigar #
5. Strip Cartoon #
6. One Brown Mouse - Early Version (Original Master Mix) *
7. Strip Cartoon - (Original Master Mix)
8. A Small Cigar - Orchestral Version (Original Rough Mix) *
9. Too Old To Rock ´n´ Roll: Too Young To Die! - Demo (Paris -July 1975)* #
Original Album Flat Transfer:
10. Prelude
11. Quiz Kid
12. Crazed Institution
13. Salamander
14. Taxi Grab
15. From A Dead Beat To An Old Greaser
16. Bad Eyed And Loveless
17. Big Dipper
18. Too Old To Rock ´n´ Roll: Too Young To Die!
19. Pied Piper
20. The Chequered Flag (Dead Or Alive)
* Bisher unveröffentlicht

DVD1: Audio and Video
TV Special Footage in DTS, Dolby Digital 5.1 Surround Sound sowie Dolby Digital Stereo
TV Special (audio only) in 96/24 stereo PCM
Fünf Original LP Tracks in DTS, Dolby Digital 5.1 Surround Sound und 96/24 Stereo PCM

DVD2: Audio Only
In DTS, Dolby Digital 5.1 Surround Sound und 96/24 stereo PCM
1. Salamander´s Rag Time
2. Commercial Traveller
3. Small Cigar (Acoustic)
4. Strip Cartoon
96/24 stereo PCM:
1. Quiz Kid (Version 1)
2. One Brown Mouse - Early Version (Original Master Mix)
3. Salamander (Instrumental)
4. Strip Cartoon - (Original Master Mix)
5. A Small Cigar - Orchestral Version (Original Rough Mix)
6. Too Old To Rock ´n´ Roll: Too Young To Die! - Demo (Paris -July 1975) Flat transfer der original LP at 96/24 PCM, Flat transfer der original 1976 Quad LP Production Master mit DTS 4.0 und Dolby Digital AC3 4.0 Surround Sound
Tschüß
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nixe
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Re: Jethro Tull / Ian Anderson

Beitrag von nixe »

...nochmal kurz zurück zu:
A Passion Play Bild
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Sieben Jahre Babyblaue Seiten

Jethro Tull - A Passion Play

von: Guy Manning vom englischen Original-Text

Historisches:
Ganz 1972 waren Jethro Tull auf der Tour zum Album "Thick as a brick", einer großangelegten Komposition über zwei LP-Seiten. Sie hatten damit eine neue Ebene des Publikumszuspruchs bei ihren Konzerten erreicht und waren auf dem Weg nach ganz oben in der Liste der weltweit besten und bekanntesten Rockbands. "Thick as a brick" war das erste "Jethro Tull"-Album, das es an die Spitze der US-Billboard-Charts schaffte. Ihre nächste LP war also ungemein wichtig für ihren fortgesetzten Erfolg und ihre Entwicklung als eines der hellsten Lichter der neuen Musik.
Die Band entschied sich dafür, ihr nächstes Album im französischen Chateau d'Herouville aufzunehmen (das Elton John mit seinem "Honky Chateau" bekannt gemacht hatte) - wohl aus steuerlichen Gründen: Ihr Erfolg ließ sie zu Opfern der strengen britischen Steuerregelungen werden; Tull wurden also zu Steuerflüchtlingen. Also begannen Tull weit weg von zuhause und den Ursprüngen des ur-englischen satirischen Humors, der "Thick as a Brick" so geprägt hatte, ihre Ideen für das Nachfolgealbum aufzunehmen, genug Material für drei Seiten eines Doppel-Albums.
Das Studio und die Umgebung entpuppten sich allerdings als kaum ideal für diesen kreativen Prozess, und der - heißt es - Kampf mit Krankheit und technischen Problemen ließ die Band mit unfertigen Ideen zurück, als sie schließlich den festen Entschluss fasste, das Unterfangen aufzugeben und nach Hause zu fahren. Der Großteil der Überbleibsel dieser nicht komplett abgeschlossenen Aufnahmen wurden schließlich erst viel später auf dem Album "Nightcap" unter dem Namen "Chateau d'isaster"-Sessions veröffentlicht. Zwei weitere Stücke, "Solitaire" und "Skating Away On The Thin Ice Of A New Day", erschienen 1974 auf "Warchild".
Wieder zuhause und kurz vor einer großen Tour machte sich Ian Anderson daran, das vorhandene Material wieder auseinander zu nehmen und neu zusammenzusetzen, woraus schließlich "A Passion Play" entstand.
Zur gleichen Zeit, während all dies passierte, spielte in Yorkshire, England eine kleine Band Cover-Versionen von Free-, Pink Fairies- und Groundhog-Stücken. Ihr untauglicher Leadsänger saß obendrein zuhause und schrammelte Wishbone Ash-, Alice Cooper- und Lindisfarne-Nummern auf seiner kaputten 12-saitigen EKO Gitarre.
Aber der Schlagzeuger der Band hatte es sich zum Ziel gesetzt, diesen armen Kerl mit Jethro Tull bekannt zu machen... Und nach einiger Zeit packt ihn die Musik... und war ein treuer Begleiter für inzwischen mehr als dreißig Jahre.

Die Besetzung:
Das Quintett dieser Aufnahmen war die erste wirklich stabile Jethro-Tull-Besetzung (und blieb bis 1975 zusammen).
• Ian Anderson - flute, acoustic guitar, saxophones, vocals
• Barriemore Barlow - percussion
• Martin Barre - electric guitar
• John Evan - piano, organ, synthesizers, speech
• Jeffrey Hammond - bass guitar, vocals

Guys Erinnerungen an die Zeit, das Konzert und das Album:
Wir waren erst 16, und Musik rief uns zu sich. Jethro Tull kündigten an, dass die Weltpremiere von "A passion play" ein Konzert in Großbritannien am 13. April sein würde. Sofort kratzten wir das Geld für den Eintrittspreis von einem Pfund (könnt Ihr Euch noch an diese Zeiten erinnern!?) zusammen, bestellten die Tickets... warteten... warteten... warteten und schließlich... waren sie da! Jetzt mussten wir nur noch unseren Eltern beibringen, dass wir alleine nach London fahren, dort übernachten und das Konzert in der Wembley-Arena anschauen wollten. Aber die Musik rief uns zu sich, und wir konnten unsere zweifelnden Eltern überzeugen, dass wir verantwortungsbewusst genug dafür seien, um von der Leine und in die Stadt gelassen zu werden!
Pläne wurden geschmiedet! Doch dann die Katastrophe! Die Tour wurde abgesagt, da das aufwändige Bühnenbild nicht schnell genug von den USA nach Europa geschafft werden konnte, und auf später verschoben. Schließlich wurden ein Termin im Juni 1973 sowie ein zusätzlicher bekannt gegeben, sofort bestellten wir Tickets... warteten... warteten... warteten und schließlich... waren sie da! Jetzt mussten wir nur noch unseren Eltern beibringen, dass wir alleine nach London fahren, dort zweimal übernachten und die Konzerte in der Wembley-Arena anschauen wollten!
Wir machten uns auf zu einem kleinen Bed&Breakfast in der Nähe von Wembley. Auf der Fahrt passierte nichts, aber wir waren sehr aufgekratzt und nervös vor lauter Vorfreude. Wir kamen sehr früh an der Arena an und ein riesiger, 10 Meter hoher Ian Anderson (inklusive Mantel und Schamkapsel ["Eierschutz" auf gut Deutsch - Anm. des Übersetzers]) ragte über den Eingangsbereich. Wir traten in die riesige Arena und suchten unsere Plätze. Gute Nachrichten: Wir waren in Reihe 6 auf dem Parkett mit einer tollen Sicht auf die Bühne... aber alles, was bis dato zu sehen war, war ein Sicherheitsvorhang.
Wir zogen die Konzertprogramme heraus (die weitere 50 Cent gekostet hatten) und lasen sie pflichtbewusst von vorne bis hinten durch. Robin Trower bestritt das Vorprogramm (ich hatte noch nie von ihm gehört). Die Artikel und Photos waren klasse. Die Spannung stieg... Niemand hatte bisher das neue Album gehört. Wie würde es wohl sein? Alles, woran wir uns orientieren konnten, waren die großartigen Vorgängeralben. Robin Trower war dran und schon wieder vorbei, ich erinnere mich nur noch verschwommen daran, dass er wohl grob hendrixmäßig, aber gar nicht schlecht war.
Wir warteten... Dann ging der Vorhang hoch und enthüllte eine große Leinwand über der Bühne, auf der ein kleiner Punkt pulsierte, während über die Anlage eine Art "Herzschlag"-Sound gespielt wurde (im Nachhinein vertraut als der Beginn des Albums). Wir machten uns bereit... warteten... warteten... 20 Minuten... immer noch nichts... weißer Punkt... pulsiert... nichts. Der Vorhang neben der Bühne flattert, jemand geht den Mittelgang entlang, nur drei Sitze von uns entfernt, in Richtung Mischpult am Ende der Halle. Es war Ian! Wir sprachen darüber, stritten, nötigten, schoben... Kurz gesagt: Einer von uns versuchte allen Mut zusammenzunehmen, um Ian anzusprechen, wenn er den unvermeidlichen Weg zurück zur Bühne machen würde. Am Ende waren wir doch zu schlappschwänzig, um irgendwas zu unternehmen, und standen regungslos da, als Ian zurückging und wieder verschwand.
Die Projektion flackerte und zeigte eine Ballerina, die auf dem Boden lag. Sie stand auf, tanzte und drehte sich, während der "Herzschlag" Halbton für Halbton nach oben kletterte. Sie begann zu laufen und ein Alt-Saxophon-Arpeggio brach aus... Sie lief einen Flur entlang auf einen Spiegel zu. Sie sprang und brach durch den Spiegel... Splitter flogen durch die Gegend, während die Band zu Pyrotechnik-Blitzen hinter ihren Verstärkertürmen hervorsprang und direkt mit dem Anfang von "A Passion Play" loslegte. Ian erschien an der rechten Bühnenseite, während sein Sopransax immer noch die eröffnenden Refrain-Melodien plärrte.
Ich saß den kompletten Auftritt über mit offenem Mund da, meine Augen starr und mein Kinn am Boden. Dies war das superbste Spektakel, das ich jemals gesehen hatte. Wir waren im Passionsspiel. Zur Hälfte des Stücks tauchte die Leinwand wieder auf und "The Hare Who Lost His Spectacles" wurde auf das ahnungslose und verwirrte Publikum losgelassen. Wir hatten keine Ahnung, was das sollte, aber wen interessiert´s? Ian Anderson kam wieder raus... "we sleep by the ever bright hole in the door..." Und die Band spielte klasse, es gab ein Schlagzeug-Solo, ein Flötensolo, ein Klaviersolo, ein Gitarrensolo... und ein herumlaufendes Kaninchen. Nach der Uraufführung des neuen Werks gab es ein wenig "Thick As A Brick", "Aqualung", "Locomotive Breath" und "Wind-up", in das Teile von "Audition" (später ein Stück auf "Nightcap") eingebaut wurden.
Die Show war viel zu schnell vorbei, und wir (gleichzeitig betäubt und aufgekratzt) standen schon auf... Doch plötzlich begann ein Telefon zu klingen, das schon die ganze Zeit auf einem Hocker an der Seite der Bühne gestanden hatte. Wir drehten uns um... und verharrten regungslos. Der hintere Bühnenvorhang bewegte sich, Ian kam hervor, Jacke über die Schulter gelegt. Er ging zum Telefon, nahm ab, nickte, hielt es in Richtung des Publikums und sagte ins Mikro: "Es ist für Euch". Die komplette Arena explodierte mit Applaus und Liebe für eine Band, die mehr als zwei Stunden lang alles mit Musik und Bild für uns gegeben hatte.
Wir verließen die Arena und gingen zu unserer Unterkunft. In unserem Zimmer, immer noch hin und weg, lachten wir und unterhielten uns über die Show bis tief in die Nacht, bis einer meiner Kumpels einen Asthma-Anfall bekam! Uns verging das Lachen, bis er sich wieder gefangen hatte (...sehr ernüchternd!).
Am nächsten Abend waren unsere Plätze sehr weit oben im Rang ("halbwegs zu Gott"), und die Show, obschon wieder hervorragend, hatte so weit von der Action unten nicht die gleiche Wirkung auf uns.
Zurück in Yorkshire ein paar Tage später warteten wir nervös auf die Rezensionen zur Show.

Rückschlag:
1973 war das Jahr der Kritiker-Machete.
Ich erinnere mich speziell an dieses Jahr dafür, wie die Alben, die ich liebte, von der Musikpresse niedergemacht wurden. "Step up, step up and take a swing, hit the band, knock them off their perches..." Heutzutage mag mancher behaupten, dass die Bands bekamen, was sie verdienten, dass sie maßlos und anachronistisch waren. Ich sehe es allerdings anders. Ich erinnere mich daran, dass ich von dem, was ich lesen musste, schwer geschockt und verärgert war. Ich war bei der Show... Es war magisch... Wie konnte man das bloß als langweiliges Gepose beschreiben?
Auch zur gleichen Zeit im Kreuzfeuer, um nur ein paar zu nennen:
• ELP - Brain Salad Surgery
• Yes - Tales From Topographic Oceans
• Led Zeppelin - Houses Of The Holy
Innerlich forderten wir die Kritiker heraus. Wenn nur das Album veröffentlicht und in unseren Händen sein würde, würden sie ihren schrecklichen Fehler einsehen und beschämt sein... Aber NEIN! Die Rezensionen der LP waren noch schlechter als die der Live-Show. Es scheint, der Wurm "Rock-Presse" hatte sich genau in dem Moment weggekrümmt, als wir ihn wieder unter seinen Stein packen wollten.
Jethro Tull, obschon immer brillant, haben sich von diesem Schlag nie erholt, und tauchten unter lauten Publicity-Fehlern wie anzukündigen, dass man nie wieder touren würde, für eine Weile ab, bevor sie 1974 mit dem "Warchild"-Album wieder auftauchten. Dieses war zwar ebenfalls klasse, aber viel eher eine statisch-lineare Song-Geschichte. Damals dachte ich auch, dass die Produktion schwachbrüstig war... Als ob jemand die Luft aus der Band gelassen hätte und sie Musik-nach-Zahlen machten anstatt mit Herzblut.
Die "Passion Play"-LP:
Das Vinyl-Album erschien im Juli 1973. Wir stahlen uns aus der Schule, um in die Stadt zu gehen und uns in die Schlange stellen zu können, um eine Ausgabe zu kaufen. Vorne und hinten auf dem Klappcover war die Ballerina, die wir von der Leinwand schon kannten, innen eine Art Theater-Programm-Booklet der "Linwell Players Theatre Company". Selbst diese Umschlaggestaltung gab wenig Hinweise darauf, worum es in dem Album eigentlich ging.
An diesem Abend spielte ich es zum ersten von tausenden Malen, und es ist seitdem immer wieder gelaufen.
Seither glaube ich, dass es in "A Passion Play" vorrangig um die Abzweigungen geht, die es gibt, wenn wir sterben. Wir landen im Fegefeuer und warten, während wir abgearbeitet werden, wir könnten im Himmel landen oder in der Hölle, aber schließlich ist beides unbefriedigend, also werden wir einfach wiedergeboren, und das ganze Passionsspiel beginnt von neuem.

Resümee:
Dieses wird weithin als Jethros Tulls "schwieriges" Album betrachtet und scheint die Fans in die Lager "lieben" und "hassen" zu teilen. Einige finden es schwer anzuhören, aber eigentlich finde ich es in dieser Hinsicht weniger problematisch als etwa "Rock Island" (das ich persönlich besonders "schwierig" finde, eben weil es weit weniger gut als APP ist - was Kreativität, textlichen Inhalt, Melodie, Arrangement, Risikobereitschaft, Vision etc. angeht. Ich kann Rock Island nicht anhören, ohne es ausmachen zu wollen - sorry, Ian!)
Die "Probleme" von "A Passion Play" sind zweierlei:
Erstens haben es nicht viele Bands in jener Zeit geschafft, ein Album mit jeweils einem durchgängigen Stück zu produzieren, dass es wert war, angehört zu werden - und hier war eine Band, die das gleich zweimal hinter einander gemacht hatte! "Thick as a brick" wurde eher als selbstironisch, humoristisch angesehen (und auch so vorgestellt), eine schrullige englische Satire, wenn man so will. Von "A Passion Play" konnte das niemand behaupten. Damit musste man sich intensiv beschäftigen, um überhaupt "dahinter zu kommen".
Zweitens, wie schon beschrieben, war dies eines der Alben, an denen sich die kritische Meinung drehte. Bis dahin waren die Rezensenten in den seltenen Fällen, in denen sie das neue Album eines Künstlers verdammten, trotzdem eher höflich gewesen, hier und danach aber nicht mehr. Ursprünglich war es Unbehagen gewesen, das anlässlich der Wembley-Gigs ausgedrückt wurde, dann, als das Album veröffentlicht wurde, war plötzlich die Hölle los. Ob die Musikpresse es auf Ian Anderson wegen anderer Gründe als der Musik abgesehen hatte, ist schwer zu sagen, aber die Band bekam jedenfalls eine noch nie dagewesene Abreibung. Dies hatte zur Folge - ungerechtfertigt, denke ich -, dass davon Jethro Tulls ganze Karriere überschattet wurde, was verhinderte, dass sie je den Platz in der Rock-Hierarchie einnehmen konnten, der ihnen zugestanden hätte. Im Zuge des Nostalgiebooms schwärmen die Medien immer und immer wieder von den Stones, Zeppelin, Floyd. Sie alle wurden im Laufe der Zeit neu bewertet, aber Jethro Tull - leider - nicht. Und dies wegen eines bemerkenswerten Albums.
Ich kehre oft zu "A Passion Play" zurück, und es wäre sicherlich Teil meiner "Einsame Insel"-Auswahl. Die späteren Veröffentlichungen der "Nightcap"-Sessions und die DVD-Version des "Hare"-Films haben es mir nur noch stärker ans Herz wachsen lassen.
"A Passion Play" ist ein wunderbares Zeugnis einer Band, die es wagte hoch zu fliegen, nur um von anderen abgeschossen zu werden, die auf ihren Schultern stehen müssen, um überhaupt gesehen und gehört zu werden.
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Re: Jethro Tull / Ian Anderson

Beitrag von olias1 »

anixek hat geschrieben:...nochmal kurz zurück zu:
A Passion Play Bild
Dies war ein Album dass mein fünf Jahre älterer Bruder hatte. Ich habe die Platte damals oft gehört und später war das Wiener Konzert der "WarChild"-Tour mein allererstes Konzert überhaupt.
Das Album WarChild halte ich neben APP für eines der Besten und natürlich ist auch Nightcap eine tolle Sache.
Wenn ich mir aber dann ansehe was Ian Anderson ohne Martin Barre NICHT zustandebringt, dann erkenne wie wichtig Martin Barre für Jethro Tull war.
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Re: Jethro Tull / Ian Anderson

Beitrag von olias1 »

anixek hat geschrieben:Bild
JETHRO TULL: "Too Old To Rock´n´Roll: Too Young To Die!" als 40th Anniversary Edition
Diese Box war für mich eine echte Überraschung. Die originale TOtRnRTYtD ist kein Highlight, ABER auf dieser Box ein sehr gutes Album. Chronologisch gesehen gefallen mir ab diesem Album nicht mehr alle Titel auf jedem Album. Es sind nur noch einzelne sehr gute Lieder, aber auch welche die ich nicht vermisse, wenn ich sie 10 Jahre nicht höre.

Diese Box ist wirklich zu empfehlen und sie ist um Klassen besser als das Originalalbum.
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nixe
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Re: Jethro Tull / Ian Anderson

Beitrag von nixe »

Too Old To Rock´n´Roll: Too Young To Die, wie auch War Child hatten bei mir einen denkbar schlechten Start & warum??? Weil sie keine longtracks enthielten!!! Wie blöde ist das denn?
Nach mehrmaligem hören stellt man fest, das auch diese Alben ihren Reiz haben! Ist bei War Child mein persönliches Highlight Backdoor Angeles, könnte ich mich bei Too Old To Rock´n´Roll: Too Young To Die nicht so ohne weiteres auf einen Song festlegen! Welcher wäre es denn bei Dir? Bei mir sind es die Balladen, die es mir angetan haben!!!
Tschüß
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Re: Jethro Tull / Ian Anderson

Beitrag von olias1 »

anixek hat geschrieben:Too Old To Rock´n´Roll: Too Young To Die, wie auch War Child hatten bei mir einen denkbar schlechten Start & warum??? Weil sie keine longtracks enthielten!!! Wie blöde ist das denn?
Nach mehrmaligem hören stellt man fest, das auch diese Alben ihren Reiz haben! Ist bei War Child mein persönliches Highlight Backdoor Angeles, könnte ich mich bei Too Old To Rock´n´Roll: Too Young To Die nicht so ohne weiteres auf einen Song festlegen! Welcher wäre es denn bei Dir? Bei mir sind es die Balladen, die es mir angetan haben!!!
Für war die WarChild nicht SO gewöhnungsbedürftig weil ich die APP noch vor der TaaB geliebt habe. Aber ja, einen richtigen Longtrack habe auch ich vermisst. Wenn ich jedoch jedes Album als Werk betrachte geht es leichter.
Auf einer Range von 0 bis 10 (sorry ich bin halt Informatiker)

WarChild
  1. War Child = 8
  2. Queen And Country = 8
  3. Ladies = 8
  4. Back-Door Angels = 8
  5. Sealion = 7
  6. Skating Away On The Thin Ice Of The New Day = 10+
  7. Bungle In The Jungle = 7
  8. Only Solitaire = 10+
  9. The Third Hoorah = 10
  10. Two Fingers = 8
Too Old To Rock ´n´ Roll: Too Young To Die!
  1. Prelude = 10
  2. Quiz Kid = 9
  3. Crazed Institution = 9+
  4. Salamander = 7
  5. Taxi Grab = 8
  6. From A Dead Beat To An Old Greaser = 6
  7. Bad Eyed And Loveless = 5
  8. Big Dipper = 6
  9. Too Old To Rock ´n´ Roll: Too Young To Die! = 9
  10. Pied Piper = 8
  11. The Chequered Flag (Dead Or Alive) = 5
Dennoch, die Version auf der Box ist signifikant besser.
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Re: Jethro Tull / Ian Anderson

Beitrag von nixe »

Ja, wie man deutlich sehen kann, verbindet uns Jethro Tull, zwar nicht unbedingt dieselben songs, aber das verlangt doch auch keiner.
Tschüß
nixe

Musik hat die Fähigkeit uns geistig, körperlich & emotional zu beeinflussen!

!!!I like Prog!!!

!!!Wenn die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten!!!
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olias1
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Re: Jethro Tull / Ian Anderson

Beitrag von olias1 »

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