Ist ProgRock noch zeitgemäß?

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SOON
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Re: Ist ProgRock noch zeitgemäß?

Beitrag von SOON »

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Wie viele anderen Begrifflichkeiten, im Rock, kommt auch der Ausdruck -progressiv- aus dem Jazz.
Ende der 50er Anfang der 60er wurden Jazzmusiker die sich modalen und freien Spielformen zuwendeten als >progressivProgressive Pop< weil sich der Song deutlich vom üblichen Beat bzw. R&B unterschied.
In Bezug auf Rockmusik ist das die früheste, mir bekannte, Anwendung des Begriffs.
Ab diesem Zeitraum folgten Zug um Zug Neuerungen in der Musikwelt die sich nicht nur auf musikalische Stilelemente beschränkten sondern auch Kunst, Literatur, Film, Spiritualität oder die Erprobung andere Lebensformen einbezog.
Alles wurde von allem beeinflusst.
Progressivität ist somit in der ursprünglichen Auffassung eine Geisteshaltung die durch die Ambition etwas neues zu Schaffen genährt wird.
Diese Entwicklungen sind nicht auf ein musikalisches Feld beschränkt sondern kommen auch in Soul, Pop, Folk, Blues, Funk usw. vor.
Dass Bands wie YES, King Crimson oder VDGG als Progressivrock (weil sie am ambitioniertesten waren) kategorisiert werden ist eher ein Claim der Musikindustrie die ihre Produkte, in dieser Form, katalogisieren und besser an den Mann bringen wollen.
Die Verwässung des Begriffs kam dadurch, dass auch Bands wie z.B. Eloy als Progressivrock eingeordnet wurden, obwohl sie nicht progressiv waren aber sich die Stilmerkmale von z.B. YES, Genesis oder Pink Floyd einverleibten.
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BBQ.Master
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Re: Ist ProgRock noch zeitgemäß?

Beitrag von BBQ.Master »

soundmunich hat geschrieben: Ich glaube, und da zielt BBQ.MASTER treffend hinein, dass sich für uns Ältere ProgRock vom Lebensgefühl zur Kunstform entwickelt hat. Da ist die Gefahr, Dinosaurier zu werden groß, und, die Dinosaurier starben aus.
Nicht ganz. Du erwartest von neuer Musik, dir das Gefühl zu geben, was der Prog-Rock dir damals gegeben hat. Das kann aber nicht mehr geschehen, weil es 1. damals schon geschehen ist und 2. die Zeit und der Prog-Rock sich einfach (mit dir) geändert hat. Es müsste schon eine andere Art von Musik geben, die dich genauso beeindrucken könnte, schließlich kennst du Prog-Rock schon.
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Re: Ist ProgRock noch zeitgemäß?

Beitrag von Member X »

BBQ.Master hat geschrieben:
soundmunich hat geschrieben: Ich glaube, und da zielt BBQ.MASTER treffend hinein, dass sich für uns Ältere ProgRock vom Lebensgefühl zur Kunstform entwickelt hat. Da ist die Gefahr, Dinosaurier zu werden groß, und, die Dinosaurier starben aus.
Nicht ganz. Du erwartest von neuer Musik, dir das Gefühl zu geben, was der Prog-Rock dir damals gegeben hat. Das kann aber nicht mehr geschehen, weil es 1. damals schon geschehen ist und 2. die Zeit und der Prog-Rock sich einfach (mit dir) geändert hat. Es müsste schon eine andere Art von Musik geben, die dich genauso beeindrucken könnte, schließlich kennst du Prog-Rock schon.
Nicht ganz. ;) Ich will mich ja gerade von der Erwartung der Eindrücke der Vergangenheit lösen und frage, was für Eindrücke heute gelten (sollen).

Royale
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Re: Ist ProgRock noch zeitgemäß?

Beitrag von Royale »

Ein toller Thread - vielen Dank für die bisherigen Beiträge!

Meiner Meinung nach, muss man erstmal definieren, was man unter Progressive Rock versteht.

Entweder: Die klassische Genre-Definition (lange Lieder, Rythmuswechsel, komplex, ...)

Oder: Im wörtlichen Sinne (fortschrittlich)


Mit der ersten Definition wird Prog wohl nie mehr "aktuell" sein, sondern immer "nostalgisch".

Die zweite Definition lässt Entwicklungsspielraum, die Prog auch heute noch "lebendig" sein lassen kann. Aber wie soll man das musikalische Rad neu erfinden? Ich weiß es nicht... neue Instrumente? Daran bin ich eigentlich nicht interessiert.


So wie ich das sehe, ist die Entwicklung des Prog abgeschlossen, da kommt nicht Neues mehr, nur noch Retro. Und finde ich das schlimm? Nein.


Der Prog ist meine Lieblingsmusikrichtung, in ihr sind die Bands versammelt, die mich beeinflusst haben (wie auch immer geartet). Das heißt, gewissermaßen prägt mich der Progressive Rock...

... wenn das nicht zeitgemäß ist! 8-)
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Roland
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Re: Ist ProgRock noch zeitgemäß?

Beitrag von Roland »

Royale hat geschrieben:
So wie ich das sehe, ist die Entwicklung des Prog abgeschlossen, da kommt nicht Neues mehr, nur noch Retro. Und finde ich das schlimm? Nein.


Der Prog ist meine Lieblingsmusikrichtung, in ihr sind die Bands versammelt, die mich beeinflusst haben (wie auch immer geartet). Das heißt, gewissermaßen prägt mich der Progressive Rock...

... wenn das nicht zeitgemäß ist! 8-)
Ich habe von Anfang an hier mitgelesen. Royales Aussage ist die erste mit der ich etwas anfangen kann. Vielleicht weil er genau das ausdrückt, was ich mir die ganze Zeit >für mich< schon dachte.

Ich wurde mit Prog groß, ohne zu wissen, daß man es später mal so nennen wird. Als 14-jähriger Genesis-Fan (1975) hörte ich manchmal den Begriff Art-Rock. Besonders auch im Zusammenhang mit meinen geliebten Renaissance.

Der heutige Prog ist keiner mehr im ursprünglichen Sinne von "fortschreitend". Das stört mich aber nicht, dann es ist eben ein Begriff für eine Musikrichtung die in meiner Kindheit/Jugend ihren Anfang hatte. Und alles was heute in diese Richtung geht heißt meinetwegen Retro-Prog.
Aber diese Vorsilbe lasse ich üblicherweise weg, weil die Proggies wissen eh was ich meine und die anderen Menschen kräuseln schon die Augenbrauen fragend wenn ich sage, dass ich Prog-Rock Fan bin.

Oh weh, war das jetzt überhaupt noch das Thema? Na ja egal, wir sind ja unter uns. [smilie=grouphug.gif]

BBQ.Master
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Re: Ist ProgRock noch zeitgemäß?

Beitrag von BBQ.Master »

soundmunich hat geschrieben:
BBQ.Master hat geschrieben:
soundmunich hat geschrieben: Ich glaube, und da zielt BBQ.MASTER treffend hinein, dass sich für uns Ältere ProgRock vom Lebensgefühl zur Kunstform entwickelt hat. Da ist die Gefahr, Dinosaurier zu werden groß, und, die Dinosaurier starben aus.
Nicht ganz. Du erwartest von neuer Musik, dir das Gefühl zu geben, was der Prog-Rock dir damals gegeben hat. Das kann aber nicht mehr geschehen, weil es 1. damals schon geschehen ist und 2. die Zeit und der Prog-Rock sich einfach (mit dir) geändert hat. Es müsste schon eine andere Art von Musik geben, die dich genauso beeindrucken könnte, schließlich kennst du Prog-Rock schon.
Nicht ganz. ;) Ich will mich ja gerade von der Erwartung der Eindrücke der Vergangenheit lösen und frage, was für Eindrücke heute gelten (sollen).
Tja... Ich glaube, dass du dich nicht davon lösen kannst. Allerdings wird das langsam zu psychologisch. Anders möchte ich aber auf die Eingangsfrage nicht antworten, weil ich da eher eine persönliche als eine musikalische Frage sehe (und das anhand deiner anderen Beiträge, die diese Frage thematisieren oder andeuten).
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SOON
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Re: Ist ProgRock noch zeitgemäß?

Beitrag von SOON »

Royale hat geschrieben:
Meiner Meinung nach, muss man erstmal definieren, was man unter Progressive Rock versteht.

Nun, eine Terminologie zu erschaffen die nachweisbare objektive Kriterien zur Definition von Genrebegriffen aufstellt wäre Sache von Wissenschaftlern bzw. Musiktheoretikern.
Ich denke aber, dass die Definition von Progrock wie sie bei Wikipedia steht ausreichend ist.
Jeder weiß, im Prinzip, was gemeint ist auch wenn einiges etwas schwammig ist.
Aber es liegt hier wohl auch das Problem von Soundmunich’s Frage nach neuen Hörerfahrungen zugrunde.
Durch Genredefinitionen wird eben auch eine Katalogisierung von Musikmerkmalen zugrunde gelegt die immer zu ähnlichen Mustern führen.
Das kann eine gewisse Verödung zur Folge haben.

Ich bin auch der Meinung von Royale, dass die Möglichkeiten des Progrock (so wie wir ihn kennen und definieren) ausgeschöpft ist.
Alles was nicht ins Raster der Genredefinition passt geht somit an einem vorbei.
Es gibt ja einige Bands die durchaus neuartige Klänge produzieren aber natürlich schwer kategorisierbar (hörbar) sind wie z.B. Art Zoyd, Universe Zero, John Zorn, Scott Walker oder die Art Bears.
Deren Musik ist derart schwer verdaulich dass sich die Frage stellt ob Weiterentwicklungen überhaupt erstrebenswert sind.
An dieser Stelle kommt mir eine gewisse Ähnlichkeit mit der Postmoderne in den Sinn.
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Quiet
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Re: Ist ProgRock noch zeitgemäß?

Beitrag von Quiet »

Zeitgemäß bedeutet, so wie das im Duden erklärt wird, einer bestimmten Zeit entsprechend, frei übersetzt könnte man vielleicht das auch als Mainstream bezeichnen und Mainstream war Prog-Rock, meines Erachtens nie, und heute schon gar nicht.
Der Begriff Fortschrittlich ist meiner Meinung nach auf die Musik überhaupt nicht anwendbar.Fortschritt bedeutet doch eine Verbesserung im Vergleich zu einem früheren Zustand.Eine bessere oder schlechtere Musik gibt es aber nicht, es gibt nur die Musik, die gefällt oder nicht gefällt..
Ich glaube auch nicht, daß die Möglichkeiten des Progrocks ausgeschöpft sind, ganz im Gegenteil, es gibt noch eine unendliche Menge an Musik, die noch nicht komponiert worden ist.

DocFederfeld
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Re: Ist ProgRock noch zeitgemäß?

Beitrag von DocFederfeld »

Quiet hat geschrieben:Ich glaube auch nicht, daß die Möglichkeiten des Progrocks ausgeschöpft sind, ganz im Gegenteil, es gibt noch eine unendliche Menge an Musik, die noch nicht komponiert worden ist.
Das stimmt zwar, aber ... genau nach diesem Prinzip verfahren viele der sogenannten Retroprogger und das ist zumindest für mich keine Musik, die ich brauche oder die mich begeistern kann.

Ich störe mich ein wenig an dem Wort "zeitgemäß" im Threadtitel - ich glaube, das ist gar nicht das Problem. Dann kann man auch fragen, ob es zeitgemäss ist, das "Requiem" von Mozart oder die Goldbergvariationen von Bach zu hören bzw. zu spielen.

Für mich ganz persönlich gilt allerdings, daß mich die Musik von Genesis, ELP oder Yes heutzutage weitgehend kalt lässt. Progressive Klänge, im Sinne von "Erkunden neuer Möglichkeiten" liefern für mich eher Radiohead, Portishead, Porcupine Tree und andere.
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Roland
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Re: Ist ProgRock noch zeitgemäß?

Beitrag von Roland »

Quiet hat geschrieben:...ganz im Gegenteil, es gibt noch eine unendliche Menge an Musik, die noch nicht komponiert worden ist.
;) Saustarke Formulierung!
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Roland
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Re: Ist ProgRock noch zeitgemäß?

Beitrag von Roland »

DocFederfeld hat geschrieben:
Für mich ganz persönlich gilt allerdings, daß mich die Musik von Genesis, ELP oder Yes heutzutage weitgehend kalt lässt.
Meinst Du damit alle deren Werke aus heutiger Sicht, oder nur die neueren Kompositionen?
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