Lyrics - Techniken

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Max
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Re: Lyrics - Techniken

Beitrag von Max »

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DocFederfeld hat geschrieben: Ich möchte noch ergänzen, daß ich sehr dankbar dafür bin, daß Englisch nicht meine Muttersprache ist. Ich höre zwar gerne Musik mit Gesang, sehe die Stimme aber in erster Linie als Instrument an. Deutschsprachige Musik höre ich schon aufgrund der überwiegend grauenhaften Texte fast gar nicht (aber auch, weil ich mich bei deutschen Texten auf nichts anderes mehr konzentrieren kann).
Deutschsprachige Musik hat auch - was ich sehr bedauere - oft das "Schlager"-Feeling: gerade die Rockmusik der 70er-Jahre (Novalis etc.) erinnert gerne mal an Schlager, obwohl dasselbe Lied in Englisch die Ausstrahlung einer echten Prog-Nummer hätte.
Wirkliche "lyrics", Texte, die auch ohne Musik bestehen, gibt es ja wirklich kaum - die besten sind wohl von Bob Dylan und Leonard Cohen.
Stimmt, der Singer-Songwriter-Bereich ist da vergleichsweise ergiebig.
Van der Graaf Generator finde ich mit den fast epischen Texten da auch noch erwähnenswert; "A Plague of Lighthouse Keepers" klingt fast wie die Basis einer Tragödie oder etwas ähnlichem.
Bei Syd Barrett wird viel zu viel interpretiert - er hatte schlicht und einfach eine schizophrene Psychose, ob jetzt durch zuviel LSD ausgelöst oder nicht, aber seine Texte sind überwiegend nicht surreal, sondern leider einfach Ausdruck seiner Erkrankung. Briefe/Texte/Bilder schizophrener Patienten ähneln sich auf unheimliche Weise.
Schwierig.
Ein recht wichtiger Aspekt, aber "sondern leider einfach Ausdruck seiner Erkrankung" kann ich nicht so ganz unterstreichen: auch in psychisch Erkrankten laufen kognitive Prozesse ab, und bei Syd Barrett lag zusätzlich zur Schizophrenie auch ein großes künstlerisches Talent vor.

Von daher finde ich eben, wie bereits erwähnt: klassische Interpretation bringt da nichts, aus welchen Gründen auch immer. Dass das, was Syd da vermittelt, aber komplett sinnentleert ist, würde ich nicht sagen; nicht umsonst sind eben die künstlerischen Machwerke von Menschen mit psychischen Erkrankungen oft auch sehr aufschlussreich.

Syds Leben und seine Schizophrenie waren mit Sicherheit tragisch; die Musik gibt aber einen faszinierenden Einblick in die verzerrte Wahrnehmung dieses Menschen.
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Aprilfrost
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Re: Lyrics - Techniken

Beitrag von Aprilfrost »

Auch da gebe ich Max Recht: Peter Hammill ist sicher einer der begnadetsten Prog-Lyriker. Seine Texte gewinnen durch die Musik und gerade durch seine Stimme noch ordentlich an Wirkung. Das gilt für die meisten seiner Solowerke wohl noch mehr als für seine Arbeiten mit VdGG.

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Max
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Re: Lyrics - Techniken

Beitrag von Max »

Besagter Dave Cousins natürlich auch: als episches Erzähler (The Battle, The Hangman and the Papist) und als lyrischer Sänger (I Turned my face into the wind, On Growing Older) - und dabei immer mit der traumhaft schönen englischen Sprache.

Klang der Worte und Bedeutung sind also beide vorhanden (Cousins über Rick Wakeman: "the wanderer has far to go, humble must he constant be, where the path of wisdom leads, distant is the shadow of the setting sun///bless the days and bless the night, bless the sun which gives us light"...etc.).

DocFederfeld
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Re: Lyrics - Techniken

Beitrag von DocFederfeld »

Max hat geschrieben:Deutschsprachige Musik hat auch - was ich sehr bedauere - oft das "Schlager"-Feeling: gerade die Rockmusik der 70er-Jahre (Novalis etc.) erinnert gerne mal an Schlager, obwohl dasselbe Lied in Englisch die Ausstrahlung einer echten Prog-Nummer hätte.
Die Grenzen sind sehr fliessend :lol: - man sieht das ja auch bei Peter Maffay, der ja wirklich ein völlig gemischtes Publikum von Schlagerfans bis Rockfans anzieht. Interessanterweise gibt es bei unseren Nachbarn in Frankreich oder auch in Italien gar keine so strenge Trennung wie bei uns - Chansonsänger sind oft über alle Alters- und Geschmackgrenzen populär.
Max hat geschrieben:Stimmt, der Singer-Songwriter-Bereich ist da vergleichsweise ergiebig.
Van der Graaf Generator finde ich mit den fast epischen Texten da auch noch erwähnenswert; "A Plague of Lighthouse Keepers" klingt fast wie die Basis einer Tragödie oder etwas ähnlichem.
Ich denke auch, daß VDGG sich da hervorheben (aber die sind für mich sowieso eine eigene Liga). Auch Roger Waters oder Peter Gabriel haben einige tolle Texte geschrieben, wie ich finde. Bei Gabriel liebe ich die Wortspiele - über "Dancing With The Moonlit Knight" könnte man wahrscheinlich eine halbe Doktorarbeit verfassen ;) und Waters hat ja bei "The Wall" wirklich ein komplettes Doppelalbum in Reimform verfasst - das hat mir immer imponiert.
Max hat geschrieben: (...) auch in psychisch Erkrankten laufen kognitive Prozesse ab, und bei Syd Barrett lag zusätzlich zur Schizophrenie auch ein großes künstlerisches Talent vor.
Daran zweifle ich ja gar nicht - ich denke nur, daß man nicht aus jedem Wahnsinnigen ein Genie machen sollte und nicht aus jeder gescheiterten Existenz einen großen Künstler.
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SOON
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Re: Lyrics - Techniken

Beitrag von SOON »

mir gefallen die deutschsprachigen Lyrics von Rio Reiser besonders!
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Aprilfrost
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Re: Lyrics - Techniken

Beitrag von Aprilfrost »

DocFederfeld hat geschrieben:... und Waters hat ja bei "The Wall" wirklich ein komplettes Doppelalbum in Reimform verfasst - das hat mir immer imponiert.
Hhm, wie sagt mein Sohn so treffend:
Nicht alles, was sich reimt ist ein Gedicht.
Nicht alles, was zwei Backen hat, ist ein Gesicht. :|

DocFederfeld
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Re: Lyrics - Techniken

Beitrag von DocFederfeld »

Aprilfrost hat geschrieben:
DocFederfeld hat geschrieben:... und Waters hat ja bei "The Wall" wirklich ein komplettes Doppelalbum in Reimform verfasst - das hat mir immer imponiert.
Hhm, wie sagt mein Sohn so treffend:
Nicht alles, was sich reimt ist ein Gedicht.
Nicht alles, was zwei Backen hat, ist ein Gesicht. :|
Natürlich - es gibt ja auch die "Reim Dich oder ich fress Dich"-Texte, aber da war Waters dann schon etwas anspruchsvoller.
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Aprilfrost
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Re: Lyrics - Techniken

Beitrag von Aprilfrost »

Ich finde auch die Lyrics von "Amused to Death" sehr gelungen.

BBQ.Master
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Re: Lyrics - Techniken

Beitrag von BBQ.Master »

DocFederfeld hat geschrieben:
Max hat geschrieben:Deutschsprachige Musik hat auch - was ich sehr bedauere - oft das "Schlager"-Feeling: gerade die Rockmusik der 70er-Jahre (Novalis etc.) erinnert gerne mal an Schlager, obwohl dasselbe Lied in Englisch die Ausstrahlung einer echten Prog-Nummer hätte.
Die Grenzen sind sehr fliessend :lol: - man sieht das ja auch bei Peter Maffay, der ja wirklich ein völlig gemischtes Publikum von Schlagerfans bis Rockfans anzieht. Interessanterweise gibt es bei unseren Nachbarn in Frankreich oder auch in Italien gar keine so strenge Trennung wie bei uns - Chansonsänger sind oft über alle Alters- und Geschmackgrenzen populär.
Was mich so überrascht hat, war die Musik von Unheilig, die ich erst seit ihrem Erfolg kenne. Für eine Gruppe aus der "dunklen Szene" klingt die Musik (bitte festhalten) wie Pur - und die Texte wirken genauso.

Um aber zum Thema zurückzukommen:

Es sind vor allem Neil Youngs einfache, aber so starke Texte, die ich so liebe. Er schafft es, gewisse Dinge vollkommen auf den Punkt zu bringen und dabei eine Sprache zu verwenden, die kaum an Schönheit zu überbieten ist.

Bei Peter Gabriel ist es anders. Seine Texte sind teilweise kryptisch, dann aber auch reduziert und trotzdem ausdrucksstark.

Bruce Springsteen möchte ich allerdings auch hier erwähnen. Es schockiert mich manchmal, wie er das komplette Leben seiner Song-Figuren in wenigen Sätzen auf den Punkt bringt. Dabei sind es durchaus Menschen aus dem Alltag, die er in den Songs beschreibt. So reduziert er das, was einen Menschen ausmacht, auf ein Minimum, nur ein paar Wörter - und das ist alles, was bleibt.
"It's better to burn out than to fade away ...because rust never sleeps." - Neil Young

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Aprilfrost
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Re: Lyrics - Techniken

Beitrag von Aprilfrost »

BBQ.m kannst Du mal ein Beispiel für einen besonders gelungenen Springsteen-Text liefern? Ich neige dazu, dir zuzustimmen. Was ich so von ihm kenne (Born in the USA, My Hometown, Streets of Philadelphia), sind ja damals wie heute hochaktuelle Themen. Und Bruce ist alles andere als ein Ja-Sager. Vielleicht kennst Du auch einen klanglich besonders schönen Text?

Ich merke gerade, dass das am Thema immer mehr vorbei schrammt. Vielleicht machen wir einen neuen Lyrics-Thread auf.
Ach, ich mach das gleich mal selbst.

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Max
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Re: Lyrics - Techniken

Beitrag von Max »

Mal ein Zitat von Wikipedia über Bon Iver, den Peter Gabriel Fans als Autor des Stückes "Flume" kennen sollten, das mir nicht nur in der Bon-Iver-Version, sondern (erstaunlicherweise) auch bei Gabriel (wegen der Hörner) gefällt.
Vernon wrote the lyrics for the album by recording a word-less melody and listening to the recording over and over while writing words according to the sound of the syllables of the melody. In an interview, Vernon said: “Words like 'decision' and 'intention' aren’t words that float in my head because I just went,” Vernon explains. “I left North Carolina and went up there because I didn’t know where else to go and I knew that I wanted to be alone and I knew that I wanted to be where it was cold.”
Irgendwie mag ich diese Schreibtechniken ziemlich gerne.
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